Ullrich Kroemer

Freier Sportjournalist (Print, Online), Leipzig

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Fußball - RB Leipzig Überraschungs-Transfer mit Signalwirkung

von Ullrich Kroemer

Kaum einer hatte die gestrige Nachricht für einen Aprilscherz gehalten. Mit dem Einkauf von Davie Selke führt RB Leipzig seinen personellen Aufrüstungskurs folgerichtig fort. Die Verpflichtung des Bremer Stürmertalents nutzt der ambitionierte Zweitligist in vielerlei Hinsicht.

Leipzigs Mittelfeldtalent Joshua Kimmich hatte es nach dem Training am Mittwochnachmittag eilig, in die Kabine zu kommen. Ein heftiger Schneeschauer kündigte sich über dem Trainingsgelände von RB Leipzig an. Ein paar Worte über den künftigen Leipziger Stürmer Davie Selke mochte Kimmich - ab Sommer beim FC Bayern - dennoch beisteuern. "Davie hat etwas Entscheidendes, was RB hilft, er schießt Tore", sagte Kimmich bestimmt.

Hoffnungsträger Selke

Bei der U19-Europameisterschaft im vergangenen Jahr hatten beide gemeinsam den Titel gewonnen. Selke schoss sechs Tore und wurde bei Werder Bremen in dieser Saison auch in der Bundesliga zum Hoffnungsträger. Nun soll er das auch in Leipzig werden.

„Davie hat etwas Entscheidendes, was RB hilft, er schießt Tore." Joshua Kimmich Nach Lage der Dinge wird Selke in der kommenden Spielzeit zum teuersten Zweitligaspieler überhaupt. Der 20-Jährige wechselt für kolportierte acht Millionen Euro plus weitere zwei Millionen Aufstiegsbonus zur Leipziger Filiale des Red-Bull-Fußball-Imperiums. Er selbst bezeichnet den überraschenden Standort-Wechsel inklusive Fünf-Jahresvertrag als "neues spannendes Kapitel". Für RB Leipzig hat das Millionen-Paket in vielerlei Hinsicht Signalwirkung.


Paradigmenwechsel im Transfergebaren

Bis zum Winter hatte Rasenballsport-Manager Ralf Rangnick noch eher defensiv in das Marketing-Projekt investiert. Als RB nach der Hinrunde ins Mittelmaß abrutschte, rüstete Rangnick auf und verpflichtete für etwa zehn Millionen Euro die Stürmer Emil Forsberg und Omer Damari. Ein Paradigmenwechsel im Transfergebaren der Leipziger, der nun durch Selkes Wechsel forciert wird.

Rangnick musste einsehen, dass der aktuelle Kader nach zwei Aufstiegen in Serie in der 2. Liga nicht mehr kontinuierlich höchsten Ansprüchen genügt. Einige erfahrene Spieler wie Kapitän Daniel Frahn oder Rechtsverteidiger Sebastian Heidinger müssen sich einen neuen Verein suchen.

Rangnick schwärmt vom Stürmertalent

Einer wie Selke dagegen verkörpert idealtypisch Leipzigs Spieler der Zukunft. Rangnick sieht in dem gebürtigen Schwaben den zentralen Stürmer der Zukunft hierzulande - auch im A-Nationalteam. "Davie Selke ist einer der wenigen Spieler, der noch den klassischen Mittelstürmertypus verkörpert - groß, schnell, dynamisch, torgefährlich", schwärmte Rangnick per Pressemitteilung.

Leipzigs Interimstrainer Achim Beierlorzer sagte während des einsetzenden Eisregens: "Davie Selke hat einen tollen Weg eingeschlagen, hat in der U19 und in der Bundesliga gezeigt, dass er ein absoluter Topstürmer ist. Schön, dass er sich für uns entschieden hat." Trainieren soll ihn nächste Saison ein anderer Chefcoach.

Selke passt in Tuchels Profil

Auch in diesem Zusammenhang besitzt Selke mehr als rein sportlichen Wert für RB Leipzig. Er nutzt den Sachsen bereits jetzt, da er noch im grünen Werder-Dress unterwegs ist. Mit dem Transfer des 20-Jährigen sendet Rangnick starke Zeichen an gleich mehrere Adressaten: den händeringend gesuchten Cheftrainer für die neue Saison, potenzielle neue Spieler, die Konkurrenz sowie den eigenen Kader. Spieler à la Selke passen schließlich perfekt in das Anforderungsprofil des heiß begehrten Thomas Tuchel. Der will sich laut "Leipziger Volkszeitung" noch in dieser Woche entscheiden, RB Leipzig soll weiter im Rennen sein.

„Davie Selke ist einer der wenigen Spieler, der noch den klassischen Mittelstürmertypus verkörpert - groß, schnell, dynamisch, torgefährlich." Ralf Rangnick Über die Trainerfrage hinaus besitzt Selke genügend Strahlkraft, um weitere Toptalente nach Leipzig zu lotsen. Oder welche im Klubkonglomerat zu halten. Dass Red Bull bei Kevin Kampl und Joshua Kimmich den Kürzeren gezogen hat, war nicht im Sinne von Ralf Rangnick. Durch den Überraschungscoup mit Davie Selke ist dessen Anspruch, RB zu einer der ersten Adressen für die besten Talente des Landes zu entwickeln, wiederhergestellt. "Wir haben immer betont, dass wir solche Verhandlungen führen, wenn alle Parteien davon profitieren. Das ist hier der Fall", stellte Werder-Manager Thomas Eichin klar. "Für uns sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr attraktiv. Sie bieten uns Spielräume für die Gestaltung des Kaders." Gegen Bayern und den BVB hatte Rangnicks Werben keine Chance. Klubs wie Werder Bremen dagegen können die Millionenofferten aus Leipzig kaum ablehnen.
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