Durch seine engagierte Spielweise sorgt Rani Khedira (21) dafür, dass der prominente Name während des Engagements seines Bruders Sami bei Real Madrid auch hierzulande ständig im Gespräch bleibt. Nach dem verpatzten Auftakt in der 2.Liga gegen Erzgebirge Aue spricht der defensive Mittelfeldspieler von Rasenballsport Leipzig mit TM-Mitarbeiter Ullrich Kroemer über seine fußballbegeisterte Familie, den Traum, gemeinsam mit seinem Bruder zu spielen, seine neue Rolle als künftiger Führungsspieler, Kritik am Red-Bull-Retortenverein sowie seine Sehnsucht nach Bundesligafußball.
Transfermarkt: Rani, reden Sie eigentlich gern über Fußball?
Rani Khedira: Klar, warum?
Transfermarkt: Über Weihnachten und Sylvester haben Sie mit Ihrer Familie in einer Hütte in den Bergen Urlaub gemacht und da stand das Thema Fußball auf dem Index. Warum und wie haben Sie das ausgehalten?
Khedira: Wir haben versucht, das ein wenig zu reduzieren. Aber da das Thema Fußball in unserer Familie schon immer im Mittelpunkt stand, ist es unmöglich, das ganz außen vor zu lassen. Wir haben beispielsweise das vergangene halbe Jahr von allen Seiten beleuchtet oder die Premier League verfolgt. Aber es war auch mal schön, dass Fußball für eine Woche mal nicht das Hauptthema war.
Transfermarkt: Wer ist innerhalb der Familie Ihr wichtigster Begleiter, wenn es um Fußball geht?
Khedira: Mein Vater verfolgt jedes unserer Spiele live, entweder im Stadion gemeinsam mit meiner Mama oder vor dem Fernseher. Meine Eltern sind seit meiner Kindheit die ständigen Wegbegleiter, Woche für Woche. Wenn es irgendwie passt, war und ist auch die ganze Familie mit dabei.
Transfermarkt: Ihr jüngerer Bruder Denny ist als PR-Berater Ihres Bruders Sami ebenfalls im Fußballgeschäft aktiv. Wie unterstützen Sie sich gegenseitig?
Khedira: Wir schauen gegenseitig unsere Spiele an und tauschen uns aus, was gut und schlecht lief. Wir geben uns gegenseitig Tipps, wie das in jeder Familie üblich ist.
Transfermarkt: Sie haben früher auf dem Bolzplatz immer mit Ihren beiden Brüdern zusammengespielt. Haben Sie damals etwas gelernt, was Sie heute noch einbringen können?
Khedira: Dass der Zusammenhalt die Grundlage für jeden Erfolg ist. Wir drei waren oft das kleinste, aber stärkste Team, weil wir uns gegenseitig vertraut haben. Das spiegelt sich auch im Profifußball wider. Nur, wenn man als Mannschaft gemeinsam auftritt, führt das zum Erfolg.
Transfermarkt: Sie wünschen sich, irgendwann einmal auch als Profis gemeinsam mit Ihrem Bruder Sami in einem Team zu spielen. Was würde die Khedira-Doppel-Sechs auszeichnen?
Khedira: Diese Mannschaft hätte eine großartige Mentalität, weil wir beide nicht verlieren können und bis zur letzten Sekunde alles für den Erfolg geben würden. Was die fußballerische Qualität angeht, ist er mir ein paar Stufen voraus, daher kann man jetzt noch nicht sagen, wie genau das aussehen würde.
Transfermarkt: Immerhin war Sami auch schon zu Gast bei RB Leipzig ...
Khedira: (lacht) Mit dem Stadion ist er schon mal vertraut, und es hat ihm hier bei mir gefallen.
Transfermarkt: Sie sind seit der U15 in den Nachwuchsteams des DFB präsent. Träumen Sie noch von einer Karriere im A-Team oder haben Sie das Pech, Ihrem Bruder in der Spielanlage zu ähnlich zu sein?
Khedira: Es ist ein unheimlich großer Traum für mich, irgendwann einmal für die Nationalmannschaft aufzulaufen. Aber ich befasse mich nicht damit, was in ein paar Jahren sein könnte. Aktuell ist das viel zu weit weg.
Transfermarkt: Ist es für Sie ein Thema, in der tunesischen Nationalmannschaft aufzulaufen?
Khedira: Es gab vor kurzem eine Anfrage des tunesischen Verbandes, aber die habe ich ausgeschlagen. Ich laufe seit der U15 für Deutschland auf, fühle mich wohl im DFB, bin hier aufgewachsen und habe die Mentalität der Deutschen. Es gab nie den Gedanken, nach Tunesien zu gehen.
Transfermarkt: Beschäftigen Sie sich mit anderen Angeboten von Vereinen? Laut unseren Informationen wurden Sie von Scouts einer italienischen Agentur beobachtet.
Khedira: Das höre ich gerade zum ersten Mal. Aber es gibt für mich überhaupt keinen Grund, mich mit anderen Vereinen zu beschäftigen. Ich wurde hier von einem tollen Verein aufgenommen und fühle mich sowohl in Leipzig als auch bei RB Leipzig sehr wohl. Ich betrachte das hier als Chance, im Profifußball richtig Fuß zu fassen. Bisher ist das optimal gelaufen.
Transfermarkt: Hatten Sie wegen des Images des Vereins auch Bedenken, nach Leipzig zu wechseln?
Khedira: Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Schon, als ich vor zwei Jahren das Relegations-Rückspiel von RB Leipzig gegen Sportfreunde Lotte (Aufstieg in die 3. Liga 2013, Anm. d. Red.) im Fernsehen gesehen habe, hat mir die Art und Weise des Auftretens imponiert. Mit dem Attribut von RB Leipzig als Feindbild des deutschen Fußballs kann ich nicht viel anfangen. Wir sind ein normaler Verein und haben alle Auflagen der DFL erfüllt. Red Bull hin oder her, in unserer täglichen Arbeit geht es nicht um ein Marketingprodukt, sondern um erfolgsorientierten Fußball, bei dem alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Da wird zu viel von außen reingepfuscht.
Transfermarkt: Welche Rolle spielt die Schwaben-Connection bei RB Leipzig für Ihren Wechsel nach Leipzig.
Khedira: Das war zu Beginn der Verhandlungen ein Thema, weil Nachwuchsleiter Frieder Schrof (früher beim VfB Stuttgart und langjähriger Förderer von Rani Khedira, Anm. d. Red.) die Treffen eingeleitet hat. Es ist schön, einige Leute hier im Umfeld zu kennen, aber Alexander Zorniger kannte ich beispielsweise noch nicht. Es ist ganz angenehm ab und an ein wenig Schwäbisch zu schwätzen.
Transfermarkt: Alex Zorniger hat immer betont, dass sie anfangs ziemlich weit entfernt von seiner Spielauffassung gewesen seien. In welchen Elementen haben Sie sich am meisten weiterentwickelt?
Khedira: In der Organisation des Spiels und im Passspiel. Zu Beginn habe ich im Spielaufbau eher die sicherere Variante bevorzugt. Das hat dem Trainer nicht gefallen, und das hat er mir auch recht schnell abgewöhnt. Alexander Zorniger ist sehr kommunikativ und gibt uns ständig Anhaltspunkte, die wir verbessern können. Daran orientiere ich mich und versuche, weiter daran zu arbeiten.
Transfermarkt: Welche persönlichen Ziele haben Sie für die verbleibenden 14 Ligaspiele in dieser Saison?
Khedira: Im Spiel nach vorn will ich mich verbessern; dass ich torgefährlicher werde und es endlich mal mit einem Tor klappt. Ein Treffer wäre wirklich ein schönes Gefühl. Immerhin hat es im letzten Spiel vor der Winterpause schon mal mit einem Assist geklappt.
Transfermarkt: Wer von den vier Neuzugängen hilft RB Leipzig sofort weiter?
Khedira: Alle haben das Zeug dazu. Omer Damari hat sich leider in den ersten Einheiten verletzt. Emil Forsberg ist ein guter Eins-gegen-Eins-Dribbler, ein sehr quirliger Spieler. Auch Yordy Reyna hat gleich gezeigt wie viel Potential in ihm steckt. Und mit Rodnei haben wir eine Kante verpflichtet, der uns mit seiner Erfahrung und seiner Wucht guttun wird.
Transfermarkt: Die Stimmung im Training ist auch nach dem verpatzten Auftakt gegen Aue locker. Was macht es für Ihr Team so schwer, diese Leichtigkeit gepaart mit der spielerischen Konsequenz auch auf den Platz zu bringen?
Khedira: Das ist schwer zu sagen. Es gab Abstimmungsfehler in den verschiedenen Ketten, das war deutlich zu sehen. Wir versuchen akribisch, das zu verbessern. Dazu gehört auch, dass wir im Training die Lockerheit nicht verlieren.
Transfermarkt: Ist das Klima im Team tatsächlich nach wie vor so gut wie in der Hinrunde? Immerhin wurde mit Daniel Frahn der Kapitän aufs Abstellgleis verfrachtet.
Khedira: Das Klima ist unverändert. Daniel hat sich entschieden, hier zu bleiben und ist nach wie vor unser Kapitän. Daniel macht seinen Job weiter hervorragend und das Mannschaftsgefüge stimmt, wir sind als Team noch enger zusammengerückt.
Transfermarkt: Haben Sie angesichts des Beispiels Frahn Angst, dass es Ihnen angesichts des ehrgeizigen Weges von RB Leipzig ähnlich ergehen könnte?
Khedira: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Es kann in jedem Verein und im jedem Team passieren, dass ein Spieler vom einen Tag auf den anderen keine Rolle mehr spielt. Das ist leider im Fußball so. Man kann nur jeden Tag an seine Grenzen gehen und seine Leistung abliefern. Wenn die stimmt, kommt erst gar keiner darauf, mich nicht spielen zu lassen.
Transfermarkt: Wie groß ist Ihr Wille zu beweisen, dass Sie in die Bundesliga gehören, nachdem Ihnen die Bundesligatauglichkeit in den letzten Monaten beim VfB Stuttgart abgesprochen wurde?
Khedira: Ich weiß, dass ich das Zeug und das Potenzial dazu habe, in der Bundesliga zu spielen. Meine neun Bundesligaspiele, die ich für den VfB in einer schwierigen Phase im Abstiegskampf gemacht habe, waren schließlich nicht schlecht. Die Aussicht, mit RB in der Bundesliga zu spielen, ist mein größter Antrieb.
Transfermarkt: Schaffen Sie den Aufstieg bereits in dieser Saison?
Khedira: Ich schließe mich Ralf Rangnick an, der gesagt hat: Ein Aufstieg kommt nie zu früh. Wenn wir jedes Spiel gewinnen, führt kein Weg daran vorbei, dass wir aufsteigen. Aber wir können es nicht erzwingen. Aktuell stehen wir vielleicht zu Recht nur auf Platz sieben der Tabelle. Deswegen dürfen wir nicht vom Aufstieg sprechen, sondern darüber, unsere Leistung Woche für Woche abzurufen. Am besten fangen wir am nächsten Spieltag gegen Frankfurt damit an. Dann schauen wir mal, wie viele Punkte wir nach weiteren 13 Spielen Ende Mai auf dem Konto haben.
Interview: Ullrich Kroemer