Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutsche Fantasy-Schriftsteller. Im Team mit seiner Frau Heike hat er mehr als 200 Bücher verfasst, insgesamt wurden rund 40 Millionen Exemplare verkauft. Rezensionen im Feuilleton: so gut wie keine. Ein Hausbesuch.
Von Tobias Scharnagl und Félice Gritti
Am Rande eines Ackers in Neuss steht ein Häuschen aus Klinker, im Vorgarten sitzt ein Gargoyle, eine Fabelfigur, steinern lächelnd, und zieht die Augenbraue hoch. Die Tür öffnet sich, Heike Hohlbein, 66, erscheint, klein und zugewandt ist sie, dahinter steht ihr Mann Wolfgang, 68, schmal und ein bisschen linkisch, im Flur herum. Ins Wohnzimmer geht man vorbei an einer Ritterrüstung und vier kläffenden Chihuahuas. Links in der Ecke, vor einem Ledersessel, steht ein Schreibtisch, darauf eine Bibliothekslampe mit grünem Schirm, die aussieht wie ein Imitat. Wolfgang Hohlbein schreibt im Schnitt fünf Bücher pro Jahr - er und seine Frau sind das erfolgreichste deutsche Schriftstellerpaar. Amazon verfilmt gerade seinen Roman Der Greif. Die beiden bitten an einen wuchtigen Holztisch, sie haben feste Plätze, sie sitzt an der Stirnseite, er zu ihrer Linken. Der riesige Fernseher läuft. Wolfgang: "Ich mach mal ein bisschen leiser."
ZEITmagazin: Frau Hohlbein, Herr Hohlbein, wir wollen heute über Fantasie sprechen, über Erfolg, ein bisschen auch über fehlende Anerkennung und über Eitelkeit. Aber zuerst einmal: Was ist ein guter Anfang für eine Geschichte?
Wolfgang: Das ist die schwierigste Frage!
Heike: Der Titel ist wichtig, da kann man schon viel draus machen.
Wolfgang: Wie bei unserem ersten Roman, da stand auch erst mal nur das Wort: "Märchenmond". Heike hatte das morgens im Kopf gehabt und beim Frühstück erzählt. Fand ich erst zu sperrig - hat mich aber nicht losgelassen. Abends habe ich angefangen zu schreiben.
Heike: Es war aber auch schon eine kleine Geschichte da, eine Idee.
Wolfgang: Das mag seltsam klingen für Fantasy, aber unsere Ideen kommen fast immer aus der Wirklichkeit.
Heike: Unsere Tochter Rebecca hatte zu der Zeit, 1982, einen Unfall gehabt und lag vier Wochen im Koma.
Wolfgang: In Märchenmond wacht die kleine Schwester des jugendlichen Helden nach einer OP nicht mehr auf. Wir haben das Mädchen im Buch auch Rebecca genannt. Ihre Seele wird in einer fremden Welt, eben Märchenmond, von einem bösen Zauberer gefangen gehalten.
ZEITmagazin: Finden Sie in Ihren Geschichten Trost?
Wolfgang: Ach, ich glaub schon. Man wusste ja nicht, wie es ausgeht. Wird das Kind noch mal lebendig? Behält es einen Schaden? Man kann sich Sachen von der Seele schreiben, sich in eine Welt flüchten, wo alles gut ausgeht, man kann sich selbst einen Ausweg aufzeigen.
Heike: Ich werde nie vergessen, wie der Krankenpfleger anrief und sagte: Frau Hohlbein, hat die schöne Augen. Da war klar, dass sie aufgewacht war.
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ZEITmagazin, 41/2021
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