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Interview

Schatten der Vergangenheit

Am 3. Oktober 1990 ist die DDR Geschichte. Zwei Jahre später sitzen Erich Honecker und Erich Mielke in Untersuchungshaft. Ein Psychiater soll sich ein Bild machen von den einstmals mächtigsten Männern des untergegangenen Staates – und kommt ihnen so nah wie wenige in jener Zeit.

Als Werner Platz im Jahr 1992 auf Erich Mielke und Erich Honecker traf, waren beide so tief gestürzt, wie man nur stürzen kann, wenn man vorher ganz weit oben war.

Honecker hatte fast zwei Jahrzehnte lang an der Spitze der DDR gestanden, Mielke die knapp 300.000 Spitzel der Stasi befehligt.

Nun waren beide Untersuchungsshäftlinge in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit; alte, kranke Männer, die sich verantworten sollten wegen der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze.

Der habilitierte Psychiater und Gerichtsgutachter Platz hatte zu beurteilen, ob sie verhandlungsfähig waren. Er traf sie wieder und wieder, um sich ein Bild zu machen, bei Mielke waren es 22 Termine im Verlauf von gut vier Monaten.

Herr Platz, wen mochten Sie lieber, Honecker oder Mielke?
Honecker gab sich staatsmännischer, Mielke war intelligenter.

Die „New York Times“ nannte Mielke eines der „abstoßendsten Individuen des 20. Jahrhunderts“ – zugleich den „Inbegriff von Mittelmäßigkeit“: kein Charme, kein Charisma, nicht besonders intelligent.
Die haben Mielke nicht untersucht.

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