Tobias Hausdorf

freier Journalist & Podcaster, Berlin

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Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois: Der erste schwarze Student in Berlin

Foto: MPI/​ Getty Images

Die Humboldt-Universität ehrt den afroamerikanischen Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois

Hier muss er gestanden haben: im Foyer der Berliner Humboldt-Universität, an der Wand das berühmte Marx-Zitat "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern". Auf wenige trifft das so zu wie auf W. E. B. Du Bois, auch wenn die Lettern zu dessen Zeit noch gar nicht hingen. Der junge Afroamerikaner besuchte die Friedrich-Wilhelms-Universität, wie sie damals hieß, von 1892 bis 1894. "Deutsche Unis waren das begehrteste Studienziel weltweit", sagt Eva Boesenberg, Amerikanistik-Professorin an der HU, "Du Bois wollte hier sogar promovieren, was aus Geldmangel scheiterte. Das holte er in Harvard nach - ersatzweise, wie er scherzte."

William Edward Burghardt Du Bois (ausgesprochen wie dew und boys) wurde am 23. Februar 1868 in Great Barrington, Massachusetts, geboren und studierte zunächst an einer schwarzen Hochschule. Seinen Master in Geschichte machte er in Harvard, wo er 1895 als erster Schwarzer promovierte. Thema: der transatlantische Sklavenhandel. Ein Stipendium hatte ihm zuvor den Aufenthalt in Deutschland ermöglicht.

Das Institut für Anglistik und Amerikanistik der HU will dem ersten schwarzen Studenten der Uni nun einen Gedenkort im Hauptgebäude widmen: eine Installation aus drei gläsernen Bildtafeln, entworfen von dem Künstler Jean-Ulrick Désert. Gut die Hälfte der benötigten 20.000 Euro sind beisammen; für den Rest braucht es noch Spenden.

In seiner Autobiografie schreibt Du Bois, er sei in in erster Linie als Individuum wahrgenommen worden, frei von Rassenzwängen. "Das liegt wohl daran, dass studieren damals eine sehr elitäre Angelegenheit war", sagt Boesenberg. Dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Du Bois habe der Studentenstatus Dinge ermöglicht, die ihm in den USA wegen seiner Hautfarbe verwehrt worden wären.

Die Berliner Zeit erweiterte auch sonst seinen Horizont: Die deutsche Philosophie beeindruckte ihn, ebenso Bismarcks Idee, eine Nation zu formen. "Du Bois' politische Auffassung hat sich stark geändert im Lauf seines Lebens", sagt Boesenberg. Anfangs sei es ihm darum gegangen, die Afroamerikaner zu einen, damit sie ihre Rechte stärker vertreten können. Später wendet er sich von der Idee eines black nationalism ab. Im Jahr 1900, auf dem Ersten Pan-Afrikanischen Kongress in London, prophezeit er hellsichtig: "Das Problem des 20. Jahrhunderts ist das Problem der Rassentrennung."

Du Bois selbst hat wiederholt Rassismus erfahren: Sein 18 Monate alter Sohn starb an Diphtherie, weil weiße Ärzte das schwarze Kind nicht behandeln wollten. Eine Professur an einer der angesehenen US-Universitäten blieb dem Soziologen verwehrt. Er wurde Professor an der schwarzen University of Atlanta, wo er sein Hauptwerk schrieb. In The Souls of Black Folk feiert er die afroamerikanische Kultur und analysiert, wie sich Rassismus auf die Identität von Schwarzen auswirkt. "Dann kam ich zu dem Schluss, dass Wissen allein nicht ausreichte, dass selbst gut informierte Leute ihr Handeln nicht änderten. [...] darum wechselte ich vom Studium zur Propaganda", sagte er rückblickend. 1909 gehört er zu den Gründern der National Association for the Advancement of Colored People, der ersten großen schwarzen Bürgerrechtsorganisation der USA.

Im Alter besucht Du Bois noch einmal die Berliner Humboldt-Universität: Eine Aufnahme von 1958 zeigt ihn, wie er im Nadelstreifenanzug die Ehrendoktorwürde empfängt. Du Bois, der auf Fotos meist ernst schaut, lächelt breit. Kurz darauf zieht er ins vormals britische Ghana, das 1957 als erste ehemalige Kolonie in Afrika unabhängig wurde. Hier beginnt er an seiner Encyclopedia Africana zu arbeiten. Abschließen kann er das Projekt nicht mehr: Am 27. August 1963 stirbt er, 95 Jahre alt, in Accra, einen Tag bevor Martin Luther King in Washington seine I Have a Dream- Rede hält.

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