Tobias Appelt

Freier Journalist, Duisburg

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Flüchtlingslager Moria: „Was dann passierte, hat uns an unsere Grenzen gebracht“

Nordrhein-Westfalen Flüchtlingslager Moria

„Was dann passierte, hat uns an unsere Grenzen gebracht"

Drei Männer aus Essen wollen einem griechischen Flüchtlingslager helfen. Via Facebook starten sie einen Aufruf auf Facebook. Die Resonanz ist riesig, zwölf Tonnen an Spenden kommen zusammen. Der Initiator empfiehlt einen solchen Hilferuf nicht zur Nachahmung.

Als drei Essener vor Weihnachten Bilder aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria sahen, starteten sie über Facebook einen Hilfeaufruf. Nach zwei Tagen stapelten sich bei ihnen Schlafsäcke, Zelte, Spielzeug, Kleidung. Kurze Zeit später beluden der Unternehmer Thomas Siepmann und seine Freunde Fred Bothen und Frank Toubartz zwei Lkw, mit denen sie selbst auf die Insel Lesbos fuhren. Unterdessen trafen immer weitere Spenden ein, zwölf Tonnen waren es am Ende. In dieser Woche wurde der vierte und vorerst letzte Container in Moria abgeliefert.

WELT: Während die Politik diskutierte, was zu tun sei, starteten Sie kurzerhand eine Hilfsaktion.

Thomas Siepmann: Wir sind die Sache vielleicht zu blauäugig angegangen. Wir dachten: Wir organisieren ein paar Spenden, packen die in einen Lkw und fahren los. Was dann passierte, hat uns echt an unsere Grenzen gebracht.

WELT: Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Siepmann: Wir trafen zur richtigen Zeit die richtigen Leute - und es waren Weihnachtsferien. Wildfremde Menschen halfen spontan beim Sortieren der Spenden. Ein Bäcker aus Essen bot an, mit eigenem Lkw und einem Mitarbeiter mitzufahren. Der Rotary-Club stellte den Kontakt zu einem großen Logistikunternehmen her. Das schickte dann seine Azubis zum Verpacken der Spenden vorbei und stellte uns für den Transport nach Lesbos Lastwagen mitsamt Containern zur Verfügung.

WELT: Sie haben die Spender über Facebook mobilisiert und auch auf dem Laufenden gehalten. Wie wichtig war das?

Siepmann: Sehr wichtig. Ohne soziale Medien hätten wir nie so schnell so viele Menschen erreichen können. Außerdem wollen die Spender sehen, was mit den Sachen passiert, die sie uns gegeben haben. So konnten sie an der Aktion teilhaben - fast so, als wären sie mit uns unterwegs.

WELT: Würden Sie andere ermutigen, es Ihnen gleichzutun?

Siepmann: Nein, das ist nicht zur Nachahmung zu empfehlen. Wer helfen will, gibt besser Geld an eine Hilfsorganisation. Sobald es um Sachspenden geht, ist der Aufwand riesengroß. Damit so was klappt, braucht man viel Glück, gute Leute - und man muss in engem Austausch mit Hilfsorganisationen vor Ort stehen. Spenden werden zwar dringend benötigt. Aber sie müssen gut sortiert und verpackt sein. Nur dann können die Helfer damit vernünftig arbeiten.

WELT: Wie geht's für Sie weiter?

Siepmann: Unser Lager ist leer, die Mission ist für uns beendet. Wir werden keine Wohltätigkeitsorganisation aufbauen - das können wir auch gar nicht. Aber ich denke schon, dass wir im Frühjahr wieder nach Moria reisen. Dann gibt's dort ganz andere Probleme als jetzt im Winter. Vielleicht bauen wir da einen Fußballplatz.

Dieser Text ist aus WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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