Tobias Appelt

Freier Journalist, Duisburg

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Ranga Yogeshwar kritisiert Amazon bei Jauch als asozial

Essen. Einkaufen im Internet: Dieses Thema spaltet die Nation in zwei Lager. Die einen wollen nie wieder darauf verzichten es, weil es so schön komfortabel ist - die anderen sehen darin den Untergang des Abendlandes. Branchenprimus Amazon jedenfalls bekam am Sonntag bei Günther Jauch im Ersten einiges ab.

Jeder weiß, dass es nicht unbedingt gut ist - macht es aber trotzdem. Bis auf Günter Wallraff. So könnte es lauten, das Fazit bei Günther Jauch am Sonntagabend im Ersten. Diskutiert wurde das Thema „Online-Shopping", wobei sich aber im Grunde genommen alle Teilnehmer der lauschigen Talk-Runde auf den Platzhirsch des Internethandels eingeschossen hatten: Amazon . Die Fürsprecher hatten kaum eine Chance.

Eifrigster Gegner des Milliarden-Unternehmens war bei Jauch der Journalist und Buchautor Günter Wallraff. Er sagte in der Sendung, er spiele mit dem Gedanken, Amazon zu verklagen. Warum? Weil Amazon seine Bücher verkauft. Das will Wallraff nicht. Der Kölner Autor hatte im Frühjahr bereits angekündigt, dass er seine Bücher nicht mehr an Amazon liefern lassen wird - doch der Logistik-Gigant unterwandere seinen Boykott-Versuch, indem er die Bücher bei Zwischenhändlern ordere. Dennoch: Wallraff will weiter kämpfen, denn letztlich führe das Geschäftsgebaren des Versandhändlers zu nicht weniger als zur „Verkümmerung unserer gesamten Kultur". Amazon sei ein „System, das allen schadet".

Amazon schickte lieber keinen Vertreter zu Jauch

Die Liste der bei Jauch erhobenen Vorwürfe gegen Amazon ist lang, leider etwas angestaubt - aber dadurch nicht minder brisant: Die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren seien hart bis unmenschlich, der klassische Einzelhandel werde zunehmend verdrängt, Innenstädte verödeten, der Handelsriese entwickle eine bedrohliche Monopolstellung - und das Unternehmen drücke sich davor, in Deutschland Steuern zu zahlen - abgerechnet wird nämlich über die Europa-Zentrale in Luxemburg. „Konzerne, die 60 Milliarden Euro Umsatz machen und darauf keine Steuern zahlen - die sind für mich asozial", kritisierte Talk-Gast Ranga Yogeshwar die Internet-Plattform.

Das Unternehmen Amazon hatte vorsorglich entschieden, keinen Vertreter auf Jauchs Sesseln Platz nehmen zu lassen. Offenbar sorgt in dem Konzern die im Frühjahr ausgestrahlte ARD-Reportage über untragbare Zustände bei Leiharbeitern im Hause Amazon noch immer für eine gewisse Verbitterung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Medien.

Amazon-Betriebsrat: "90 Prozent der Belegschaft zufrieden"

Mit einer nonchalanten Jetzt-bleibt-doch-alle-mal-auf-dem-Teppich-Haltung reagierte am Sonntagabend ein Mann im Publikum. Norbert Faltin, Betriebsratschef bei Amazon in Koblenz, wollte manches, was da bei Jauch ausgesprochen wurde, so nicht stehen lassen: „90 Prozent unserer Belegschaft sind zufrieden", sagte er. Niemand bei Amazon verdiene weniger als zehn Euro in der Stunde und Leiharbeiter aus dem Ausland würden auch keine mehr beschäftigt. „Arbeiter kommen nur noch aus dem lokalen Markt." Jeder, der bei Amazon arbeite, fahre abends auch nach Hause.

Das Unternehmen durchlaufe laut Faltin gerade einen „Lernprozess". Dass es inzwischen sogar Betriebsräte gebe, sei vielen überhaupt nicht bewusst. Auch im Amazon-Zentrum in Rheinberg ist mittlerweile ein Betriebsrat eingerichtet worden , nachdem es am Niederrhein in der Vergangenheit immer wieder Beschwerden gab wegen der vorherrschenden Arbeitsbedingungen . Wallraff sagte, die Zustände dort seien noch immer „eine Katastrophe". In seinem nächsten Buch wird davon zu lesen sein.

Doch erst einmal kommt Weihnachten. Geschenke müssen noch gekauft werden. Beim Fachhändler in der Fußgängerzone - oder im Internet? Jeder zweite Deutsche kauft mindestens eines seiner Weihnachtsgeschenke im Netz. Und beim Online-Händler Amazon gehen aufs Jahr gerechnet am 16. Dezember die meisten Bestellungen ein: 3,9 Millionen Mal wird der „Zur Kasse gehen"-Button geklickt.

Tobias Appelt

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