Tim Beyer

Freier Journalist, Köln

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Artikel

Greenwashing im Sport: Die Fußball-WM in Katar und das Klima-Märchen

Die Fußball-Weltmeisterschaft werde klimaneutral, sagt Ausrichter Katar. Man darf daran zweifeln, Stichwort: Bau von Stadien, auch die Nutzung von Klimaanlagen. Und nun womöglich Pendelflüge.

Vor einigen Tagen hat sich Gianni Infantino aus Katar gemeldet, er hat sich dort zwei Playoff-Spiele für die Weltmeisterschaft 2022 angeschaut. Infantino, 52, hat auch noch schnell ein Video aufgenommen. Das werde eine große Show, sagte Infantino und meinte natürlich die Endrunde im Winter, und sowieso "die beste WM aller Zeiten."

Es war ein Auftritt, wie der FIFA-Präsident Infantino ihn mag. Die Weltmeisterschaft in Katar ist ihm wichtig, er lobt das Emirat oft. Einmal animierte er die Anwesenden bei einer Veranstaltung zu "Katar, Katar"-Rufen, es war ein skurriler Auftritt. Kritik am Ausrichterland hört man von Infantino hingegen selten. Dabei gäbe es so viel zu kritisieren.

Es gab in diesen Tagen noch eine Nachricht zur WM in Katar, beinahe wäre sie untergegangen. Sie haben dort Probleme mit der Fertigstellung von Übernachtungsmöglichkeiten. Es könnte eng werden im Emirat.

Wenn nichts mehr geht, gehen immer noch Pendelflüge

Es stünden, sagt Omar al-Jaber vom Supreme Commitee (SC), das die WM organisiert, mehr als 100.000 Zimmer für Übernachtungen zur Verfügung. Das hat der Sport-Informations-Dienst (SID) vor einigen Tagen vermeldet. Sollte das nicht ausreichen, denke man über Zeltcamps nach. "Wir sollten die Menschen auch die Erfahrung der Wüste in einem Zelt in Manier der Beduinen machen lassen."

Alternativ könnten ausländische Fans auch in anderen Golfstaaten untergebracht und täglich mit bis zu 160 Pendelflügen zu gebuchten Spielen nach Katar befördert werden. Man kann das leicht durchrechnen: Die WM-Endrunde in Katar wird 28 Tage dauern, nur an sechs Tagen findet kein Spiel statt, macht bis zu 3.520 Flüge.

Es ist eine Idee, die so gar nicht passt zu den ambitionierten Zielen des Ausrichters.

Eine Nachhaltigkeitsstrategie - und dann Pendelflüge?

In Katar und bei der FIFA erzählen sie gerne, dass diese WM eine klimaneutrale werde. Von Klimaneutralität spricht man, wenn sich der Ausstoß von Treibhausgasen und die Fähigkeit des Ökosystems, diese aufzunehmen, im Gleichgewicht befinden.

Vor einiger Zeit hat das Emirat eine sogenannte Nachhaltigkeitsstrategie für die WM-Endrunde vorgelegt. Es geht darin auch um die Verringerung von Emissionen, um energieeffiziente Stadien. Das Turnier preisen sie als eines der kurzen Wege an. Natürlich, teilte Katar mit, würden Emissionen, die "bei der Vorbereitung und Ausrichtung des Turniers unvermeidlich sind", ausgeglichen.

"Hat den Charakter von Greenwashing"

Klimaneutralität, sagt Christian Behrens von der Deutschen Umwelthilfe der Sportschau, klinge natürlich gleich richtig gut. Nur hielte der Begriff nicht immer, was er verspreche - und die Verwendung mache ihm Sorgen, gerade wenn es um die WM in Katar gehe. Behrens sagt: "In Katar zielen sie sehr stark auf den Begriff der Klimaneutralität ab - und gleichzeitig wissen alle, dass dort etwas geschaffen wird, das ökologisch nicht nachhaltig ist. Das hat schon den Charakter von Greenwashing."

Sogenannte Klimakompensationen, wie Katar sie einsetzen wird, sagt Behrens, seien nur dort ein geeignetes Mittel, wo Emissionen wirklich unvermeidbar seien. Pendelflüge quer durch die Golfstaaten, nur um Fußballfans nach Katar und hin- und zurückzufliegen, so sieht das auch Behrens, zählen eher nicht zu den unvermeidbaren Emissionen.

Klimaneutralität bei der WM - sie machen es sich zu einfach

Das Supreme Commitee hat den SID-Bericht und die darin skizzierten Überlegungen auf Anfrage der Sportschau bestätigt. Das Antwortschreiben ist lang, und es verrät einiges über Katars Verständnis von einer klimaneutralen WM. Zu den Pendelflügen, teilt ein Sprecher mit, könne er nicht viel sagen. Sie seien eine Initiative von Qatar Airways. Kein Wort darüber, dass die Fluggesellschaft ein wichtiger WM-Partner ist.

Sie machen es sich einfach beim Supreme Commitee. Zu einfach, meint Christian Behrens. Katar könne natürlich nicht so tun, als hätten die Emissionen solcher Pendelflüge nichts mit der WM zu tun. "Da ist Katar als Veranstalter in der Pflicht", sagt Behrens.

Eine Anfrage der Sportschau, wie und durch wen die durch Pendelflüge entstehenden Emissionen ausgeglichen werden sollen, beantwortete das SC nicht.

Was Bäume und Sträucher über Klimaneutralität erzählen

Stattdessen teilt das Supreme Commitee mit, man sei tatsächlich "auf dem besten Weg, eine klimaneutrale Weltmeisterschaft auszurichten." Als Beispiel führen sie an, was sie die "Baumschule" nennen. Man habe 679.000 Sträucher und 16.000 Bäume gepflanzt, es seien überwiegend heimische Arten, die mit dem Klima in Katar keine Probleme hätten. Bewässert würden sie mit "recyceltem Wasser".

Klingt toll, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, meinen sie bei der Deutschen Umwelthilfe. Behrens erzählt von Meerwasser-Entsalzungsanlagen, die in Katar zur Wassergewinnung genutzt werden. Meerwasser zu recyceln, sagt Behrens, sei ein "sehr energieintensiver Prozess, und das in einem Land, in dem die Energieversorgung beinahe zu einhundert Prozent aus fossilen Quellen besteht."

So stehen die Sträucher und Bäume stellvertretend für etwas, das man rund um die vermeintlich klimaneutrale WM auch in anderen Bereichen beobachten kann: Was gut klingt, muss nicht immer gut sein.

WM in Katar eine "verheerende Entscheidung"

Ein Beispiel: Das Stadion 974. Es besteht, daher der Name, aus 974 alten Schiffscontainern. Nach dem Turnier kann das Stadion ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Grundsätzlich gar keine schlechte Idee, meint Christian Behrens. Nur seien eben schon durch den Bau Emissionen entstanden, durch einen Weitertransport würde die Ökobilanz des Stadions nicht besser.

Und dann wird es bei der WM auch Dinge geben, die klangen noch nie gut. Wie Klimaanlagen in Stadien. Bis auf ein Stadion werden alle bei der Endrunde eingesetzten künstlich heruntergekühlt. Auch das sind Emissionen, die man hätte vermeiden können. Man hätte dann nur nicht Katar zum Ausrichter machen dürfen.

"Aus ökologischer Sicht", sagt Behrens, sei "die WM-Vergabe an Katar eine verheerende Entscheidung gewesen."

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