Thomas A. Herrig

Autor, Kulturjournalist M.A. & Digital Creative, Berlin

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Richard in Riga: Das Projekt "GesamtkunstWerk21"

„Sobald Sie im Gebäude waren und sich vorgestellt haben, wie es belebt und mit Musik gefüllt werden könnte, lässt es Sie nicht mehr los", sagt Schirmherrin Eva Wagner-Pasquier über das Projekt eines neuen Wagner-Hauses im lettischen Riga. Das ehemalige Deutsche Theater in der Altstadt soll renoviert und zum „GesamtkunstWerk21"-Komplex umgestaltet werden.

Wagner-Pasquiers Urgroßvater, damals ein noch unbekannter 24-Jähriger, kam 1837 als Kapellmeister in die Metropole des russischen Kaiserreichs, auf der Flucht vor seinen Gläubigern. Zwei Jahre lebte und arbeitete Richard Wagner im dortigen Deutschen Theater und soll mit einem nur 24-köpfigen Ensemble künstlerisch Erstaunliches geleistet haben.

Die Zeit in Riga war für Wagner prägend, besonders im Hinblick auf die Idee vom Gesamtkunstwerk und den späteren Bau seines Festspielhauses in Bayreuth: Ansteigende Anordnung der Sitzplätze, vertiefter Orchestergraben, Halbdunkel im Saal - das sind nur einige der architektonisch-theatralen Gestaltungsprinzipien, die er hier zu schätzen lernte. Doch bevor ihm 1842 mit seiner Oper „Rienzi, der letzte der Tribunen" der Durchbruch als Komponist gelang, sah er sich gezwungen, Riga wieder zu verlassen.

Aus Lettland brachte Wagner viele Ideen mit

Erneut waren ihm, der gern auf großem Fuß lebte und notorisch knapp bei Kasse war, Gläubiger auf den Fersen. Die berühmte Flucht auf einem kleinen Segelschiff über die Ost- und Nordsee nach London schloss das Kapitel Riga in seiner Biografie. Und unter dem Eindruck eines Beinahe-Untergangs auf stürmischer See wurde er zu seinem „Fliegenden Holländer" inspiriert.

„Es gibt nicht viele Städte auf der Welt, in denen Wagner als Kapellmeister gewirkt hat", betont der ehemalige Direktor der Lettischen Nationaloper Andrejs Žagars. Es ist diese historische Verbindung, die Anstoß gab, für das ambitionierte Vorhaben: Unter der Schirmherrschaft von Lettlands Staatspräsident Egils Levits und Eva Wagner-Pasquier arbeitet ein deutsch-lettisches Team derzeit an den Plänen zur Restaurierung und Wiederbelebung des Gebäudekomplexes, dessen Kern das 5000 Quadratmeter große, ehemalige Theater bildet.

Entstehen soll dabei nicht nur ein neuer Ort mit Wagner-Fokus, vielmehr sprechen die Beteiligten um Initiator Maris Gailis, Vorsitzender der Richard-Wagner-Gesellschaft Rigas und ehemaliger Ministerpräsident Lettlands, vom „GesamtkunstWerk21". Durch die Restaurierung und Neukonzeption soll ein internationales Kulturzentrum in Nordeuropa geschaffen werden. Man will Festivals veranstalten, junge Leute aus aller Welt zusammenbringen, „Inkubator" sein und die „Verschmelzung aller Künste"" ermöglichen, ganz im Sinne des innovativen Musikdramatikers.

Der Bund unterstützt das Projekt mit 5,2 Millionen Euro

Aktuell befindet sich das Haus aber in einem desolaten Zustand, wie die Projekt-Präsentation offenbart. Geschätzte Kosten: mehr als 30 Millionen Euro. Doch das Projekt-Team ist gut vernetzt, hat viele Unterstützer, auf deutscher wie auf lettischer Seite. Das lettische Parlament hat das Gebäudeensemble in der „Riharda Vagnera 4" mittlerweile kostenlos an die federführende Richard-Wagner-Gesellschaft Riga übergeben - und der Deutsche Bundestag beschloss im Rahmen des Haushalts 2021, insgesamt 5,2 Millionen Euro als mehrjährige Förderung auszuschütten. FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff bedankte sich im Rahmen einer Rede ausdrücklich dafür, dass der „Wagnersaal in Riga so gut bedacht" wurde. Auf Seiten des Projekt-Teams zeigte man sich ebenfalls begeistert und sprach gar von „einem europäischen Leuchtturmprojekt mit weltweiter Strahlkraft".

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