Dresden, Ende Januar. Vor wenigen Tagen hat hier die "Vegane Fleischerei" eröffnet. Das Ladengeschäft wirkt wie eine ganz normale Metzgerei.
Aber was aussieht wie Fleisch und was riecht wie Fleisch, besteht aus Gemüse und ganz vielen Gewürzen.
Die Gründer haben nicht nur Menschen im Visier, die sich bereits vegan ernähren, sie wollen vielmehr Menschen, die alles essen, den Einstieg zu veganer Ernährung so leicht wie möglich machen.
Die vier Gründer haben mit ihrem Herzensprojekt einen Nerv getroffen. In Deutschland gaben im letzten Jahr in einer Umfrage fast 1,6 Millionen Menschen an, weitgehend auf tierische Produkte zu verzichten. Die Tendenz der letzten Jahre ist eindeutig.
Viele Menschen wollen sich umwelt- und klimafreundlicher ernähren, möchten aber auf den Fleischgeschmack und die fleischeigene Struktur ungern verzichten.
Nicht nur in Dresden, weltweit tüfteln Unternehmen am ultimativen Fleischgeschmack. Massentierhaltung, Schlachthöfe, neue Krankheitserreger - den Nachteilen des Fleischessens steht nur ein Argument gegenüber: der Geschmack. Kann man den künstlich herstellen?
Burgerpattys gezüchtet in der Petrischale, vegane Steaks aus dem 3D-Drucker - auf Knopfdruck mit einem Fettanteil, so wie die Kunden dies wünschen. Fleisch aus dem Labor klingt nach der Lösung vieler Probleme.
In den Niederlanden stellten Ende März Wissenschaftler eines Start-ups eine Frikadelle aus dem Fleisch eines ausgestorbenen Mammuts vor. Sie wollten demonstrieren, wie künstliches Fleisch die Lebensmittelbranche revolutionieren könnte.
Die Forscher isolierten erst eine DNA-Sequenz des Mammuts, nutzten Gene des Afrikanischen Elefanten und züchteten das Fleisch dann im Labor. Probiert werden darf der Fleischklops jedoch nicht.
Eines der Zentren bei der Entwicklung von Labor- oder sogenanntem kultiviertem Fleisch ist Israel.
"SuperMeat produziert Fleisch und Hühnchenfleisch aus Tierzellen im Labor."Wir besuchen das Unternehmen SuperMeat in der Nähe von Tel Aviv. Anders als beim Mammut-Klops ist das Fleisch, das hier entsteht, zum Verzehr freigegeben. In das Labor dürfen wir aus hygienischen Gründen nicht.
Wie funktioniert die Herstellung? Für die Produktion muss dem Tier per Biopsie Muskelgewebe entnommen werden. Daraus werden Stammzellen gewonnen, die sich in einer Nährlösung vermehren.
In den Bioreaktoren wächst die Zellmasse für die Hähnchen Nuggets heran, die auf der anderen Seite der Glasscheibe probiert werden können. Es ist kein Zufall, dass die neue Technik gerade in Israel auf großes Interesse stößt.
Der Weg bis dahin ist allerdings noch weit - im Moment können nur geladene Gäste das Labor-Fleisch probieren. Eine Zulassung zum Verkauf haben die Produkte der Firma noch nicht.
Der heutige Gast ist für das Unternehmen besonders wichtig: Laura Turner ist Managerin bei einer Londoner Investmentfirma, die sich auf kultiviertes Fleisch spezialisiert hat.
Der Geschmack ist aber nur eine von vielen wichtigen Fragen. Für die Branche mindestens genauso bedeutend sind die Zulassungsbedingungen für die neuartigen Burger aus dem Labor. Bisher können sie nur in Singapur legal verkauft werden. Die USA könnten bald folgen - der Beginn eines Booms? Die Investorin glaubt daran.
Ob diese Wette aufgeht, wird auch vom Preis abhängen. Zunächst wird das kultivierte Fleisch viel teurer sein als das Herkömmliche. Denn: Der Produktionsaufwand ist enorm.
Spätestens in zwei Jahren sollen die Produkte von SuperMeat in Restaurants weltweit zu kaufen sein. Ob Laborfleisch die Probleme der konventionellen Fleischerzeugung löst, lässt sich derzeit noch nicht absehen.
Klar ist: Die Massentierhaltung ist einer der größten Klimaschädlinge. Etwa 1.200 Liter Wasser, 130 Gramm Soja und 6,4 Quadratmeter Anbaufläche werden beispielsweise für die Produktion eines einzigen Schweineschnitzels von 200 Gramm benötigt.
An einer klimafreundlicheren Lösung tüftelt auch das Unternehmen Endori in Bamberg. Endori bedeutet aus dem Japanischen übersetzt: Erbse. Erbsen sind Hauptbestandteil der Fleischersatzprodukte, die hier entstehen und in deutschen Supermärkten verkauft werden.
Hinter dieser Konsistenz stecken sieben Jahre Forschung des Endori-Gründers Friedrich Büse. Er ist gelernter Metzger und Koch, hat jahrelang in der Fleischindustrie gearbeitet. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut hat er ein Verfahren entwickelt, das aus Erbsen eine proteinreiche, feste Masse macht.
Friedrich Büse, Gründer von Endori: "Die meisten haben gesagt, der Büse spinnt. Das muss man dann halt aushalten. Umso spannender ist jetzt, 15 Jahre später, zu sehen, dass doch Etliche aus der Fleischindustrie auf diesem Weg unterwegs sind und das als Geschäftsfeld erkannt haben und das mit vorantreiben. Da mache ich aber einen Unterschied zwischen denen, die das Ernstnehmen aus der Fleischwarenindustrie, die kann man an einer Hand abzählen und eher zwei Finger noch wegnehmen, die anderen wollen nicht den Markt verlieren. Die kaufen irgendwelche Rohstoffe zu und matschen das zusammen und sagen, wir haben auch vegan. Die brauchen wir eigentlich nicht"
Seit 2015 produziert Friedrich Büse Fleischalternativen aus heimischen Erbsen. Die Hülsenfrüchte zählen nicht nur zu den gesunden Proteinquellen, sie liefern unter anderem auch B-Vitamine, Eisen und Ballaststoffe. Doch wie wird aus der Erbse ein fleischloses Burgerpatty?
In der Burger-Teigmasse sind neben Erbsen, auch Hafer und Weizen, Gewürze und Kräuter. Der Salzgehalt, der bei vielen Fleischersatzprodukte viel zu hoch ist, liegt hier bei rund einem Prozent. Damit folgt Endori den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Verzichtet wird auf Soja und chemische Zusatzstoffe.
Verkauft werden die Bratlinge an Gastronomiebetriebe und in vielen deutschen Supermärkten. Büse hofft, dass in den nächsten Jahren, Fleisch nicht mehr billiger zu haben ist als die pflanzlichen Alternativen.
Derweil entwickeln er und seine Mitarbeiter immer neue Produkte und arbeiten weiter am perfekten Geschmack.
Zurück in Dresden. Hier mussten die Gründer der Veganen Fleischerei für ihre fleischlose Salami und andere Produkte neue Namen finden. Die Behörden hatten einige Bezeichnungen als irreführend deklariert. Das Geschäft läuft aber auch Wochen nach der Eröffnung noch sehr gut.
Doch nicht alle Menschen sind schon bereit für eine fleischlose Zukunft. In den sozialen Medien und via E-Mail erhielten die Gründer nach der Eröffnung übelste Beschimpfungen.
Was sich heute für viele noch neu anhört, wird demnächst vielleicht völlig normal sein. Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung rechnen Experten bis 2050 mit einem Anstieg des Fleischkonsums von siebzig Prozent. Pflanzliche Alternativen könnten in Zukunft eine gute Möglichkeit sein, den Hunger nach Schnitzel, Burger oder Steak zu stillen.