Für diese Folge von Republik-21 treffe ich vier junge Menschen, die gegen die Klimakrise kämpfen.
Sie blockieren Kreuzungen "Ich möchte Sie bitten, die Straße zu räumen."
Sie engagieren sich in der Politik "Ich brenne dafür aus einer Angst heraus."
Sie klagen vor dem Verfassungsgericht "Und dann war das auf einmal dieses Urteil, dieses Entscheidende."
Und sie entwickeln Ideen als Start-up-Gründer "Wir verstehen uns als diejenigen, die diese Grundlagenthematik weitertragen in richtige Produkte."
Denn der Klimawandel passiert nicht irgendwo weit weg in der Arktis, er ist längst hier und auch in Deutschland bemerkbar.
Lars ist 29, Psychologe und seit zwei Jahren bei Extinction Rebellion, eine Gruppe, die immer wieder mit umstrittenen Protestaktionen auffällt, wie zum Beispiel Flughafen-Blockaden. Lars sagt, er will Widerstand leisten, weil er glaubt, dass der Klimawandel unsere Gesellschaft sonst vernichtet.
Lars Werner, Extinction Rebellion "Dann haben wir unfassbar große Lebensbereiche, gerade um den Äquator herum, die für Menschen nicht mehr bewohnbar sind, weil es da zu oft über 50 Grad sind. Und das sind Temperaturen, die dann so hochgehen, dass Menschen da nicht existieren können."- Macht dir das Angst? Oder macht dich das wütend? "Das macht mir große Angst, weil das Szenario, was ich sehe, ist: Chaos, Gewalt und Tod."Rund 40 Aktivisten und Aktivistinnen wollen am nächsten Tag den Verkehr stören. Lars gibt in einem Videocall Tipps zum Ablauf: Ganz coronakonform soll sich jeder allein auf eine Kreuzung setzen und so für maximale Aufmerksamkeit sorgen.
Gesa ist die Abkürzung für Gefangenensammelstelle. Lars berichtet, was passiert, wenn man von der Polizei festgenommen wird - und warum er es darauf anlegt.
Lars hat schon zwei solcher Blockaden hinter sich. Aber was er am nächsten Tag erlebt, wird intensiver und vor allem schmerzhafter als die vorherigen Male.
Die Klimakrise wird nicht nur am Äquator zu spüren sein, wie Lars es vorhin beschrieben hat. Auch in der Nordsee gibt es Orte, die bald akut gefährdet sein könnten.
Sophie Backsen hat wohl mehr gegen die Klimakrise getan als die meisten: Die 22-Jährige hat die Bundesregierung verklagt - aus Sorge um ihre Heimatinsel.
Sophie Backsen, Studentin der Agrarwissenschaft "Was man also am meisten bemerkt, sind diese Wetterextreme, die einfach mehr werden und häufiger auftreten. Wir sind ja hier mitten im Weltnaturerbe Wattenmeer, im Nationalpark. Und da merkt man so was einfach sehr, sehr schnell. "
Starkregen zum Beispiel, lange Trockenperioden und stärkere und häufigere Sturmfluten. Pellworm liegt im Durchschnitt einen Meter unter Normalnull und ist deswegen komplett eingedeicht. Trotz des Hochwasserschutzes macht Sophie sich große Sorgen, denn die Meeresspiegel steigen.
Aus Sorge um Pellworm zog Sophie vor Gericht: Zusammen mit acht weiteren jungen Menschen klagte die angehende Landwirtin vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Klimaschutzgesetz der Großen Koalition - und bekam Recht. Das höchste deutsche Gericht verdonnerte die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz.
"Kein Frühling ohne Winter, denn ohne Wiebke Winter nichts Neues."Kein Wunder: Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass die Klage für das Klima und gegen die große Politik Erfolg haben könnte.
Zurück auf dem Festland. Nicht gegen, sondern in der großen Politik kämpft die junge Frau, die ich jetzt treffe.
Bei einem Spaziergang auf dem Deich schildert mir auch Wiebke ihre Sorgen vor Überflutungen. Und wenn ich ihr so zuhöre, klingt sie eher wie eine "Fridays for Future"-Aktivistin als die Landesvorsitzende der Jungen Union Bremen.
Aber Wiebke hat sich die CDU ausgesucht, um die Klimathematik voranzutreiben. Und das, obwohl ihre Partei das Thema jahrelang eher verschleppt als vorangetrieben hat - das hat kürzlich sogar die Bundeskanzlerin zugegeben.
Wiebke will nicht nur die CDU auf Klimakurs bringen, sondern (bei der Bundestagswahl) auch noch das Direktmandat in ihrem Wahlkreis Bremen und Bremerhaven holen - einer SPD-Hochburg.
Zur Einstimmung auf den Wahlkampf gibt es Blumensamen und ein Kärtchen in die Briefkästen - aber nur da, wo es auch erlaubt ist.
"Geh woanders demonstrieren, aber nicht hier auf die Straße. Ich glaube, es hackt!"Zurück in Hamburg: Lars wird hier gleich das Gesetz brechen. Ziviler Ungehorsam ohne Gewalt, das ist das Grundprinzip von Extinction Rebellion.
Und dann geht es los: Lars sitzt auf der Straße. Die Autos fahren einfach drumherum.
Aber dann wird ein Autofahrer plötzlich richtig wütend.
Autofahrer "Geben Sie die Straße frei." "Ich kann verstehen, dass Sie wütend sind." "Geben Sie die Straße frei"
Peter Sänger, Green City Solutions "Ich erinnere mich an meinen Großvater, der Bergmann war. Da hat mir mal erzählt, dass sie so Moos-Kügelchen im Stollen aufgehängt haben, um Feinstaub- und vor allen Dingen Schwermetallbelastungen zu messen. Heißt: Dieser Organismus muss irgendwie in der Lage gewesen sein, Partikel aufzunehmen. Wir verstehen uns als diejenigen, die diese Grundlagenthematik weitertragen in richtige Produkte."Aber jetzt sind die Leute richtig genervt.
Nach 30 Minuten kommt die Polizei, hört sich Lars' Anliegen an - und trägt ihn von der Straße. Ob er enttäuscht ist, dass es so schnell vorbei war? Oder vielleicht erleichtert, dass die Beamten die brenzlige Situation entschärft haben? Wir werden Lars erst nach seiner Zeit auf der Wache wieder sprechen können - und der Gewahrsam dauert länger als erwartet.
Lars hat jetzt kurzfristig viel Aufmerksamkeit für sein Anliegen bekommen. Aber gibt es auch nachhaltige Strategien? Welche Rolle spielen Wirtschaftsunternehmen? Viele Start-ups arbeiten an Innovationen, mit denen sich der Klimawandel verlangsamen und gleichzeitig Geld verdienen lassen soll.
In diesem Hinterhof in Berlin-Schöneberg präsentiert mir Peter Sänger den "City Tree", ein biologischer Luftfilter auf der Basis von Moos.
Der Moosfilter als eine Art natürliche Klimaanlage soll um sich herum eine Zone sauberer und gekühlter Luft schaffen.
Ich besuche Peter in Bestensee in Brandenburg, hier wächst das Moos, das in den City Trees zum Einsatz kommt.
Der Einsatz der Pflanzen ist umstritten, denn es hängt von komplexen Faktoren ab, ob die Pflanzen ihre optimalen Filterleistungen entwickeln können, unter anderem vom Standort, der Windrichtung und der Windgeschwindigkeit. Trotzdem haben sich Städte wie London und Berlin schon für die City Trees entschieden - der Wunsch nach sauberer Luft scheint groß. Rund zwei Millionen Euro Fördergelder der EU sind bereits in ihre Entwicklung geflossen. Eine Cloud-Anbindung zur Datenauswertung soll die neuen Moosfilter noch wirksamer machen.
Wir sind zurück in Hamburg, es ist 22 Uhr als ich Lars nach seiner Straßenblockade wiedertreffe. Er kommt gerade vom Revier. Neun Stunden hat er in Polizeigewahrsam verbracht.
Ich möchte Bilanz ziehen mit Lars und wissen: War er froh, dass die Polizei die Aktion nach einer halben Stunde beendet hat?
Am Ende dieser Recherche habe ich mich gefragt: Was haben die vier erreicht? Wie bekämpft man den Klimawandel am besten? Ob uns die City Trees von Peter langfristig weiterbringen, weiß ich nicht. Aber es braucht innovative Ideen aus der Wirtschaft. Genauso wie es Frauen braucht wie Wiebke, die sich trauen, alte Strukturen aufzubrechen und neue Themen in der Politik platzieren. Beeindruckt hat mich Lars und dass er bereit war, den offenen Konflikt zu suchen. Und Sophie: Die hat mit ihrer Klage für ein historisches Urteil gesorgt, das deutlich gemacht hat: Klimaschutz ist ein Grundrecht. Freiheit bedeutet, die zukünftigen Generationen nicht zu schädigen. Alle vier geben mir die Hoffnung, dass sich etwas bewegt, dass die Klimakrise ernst genommen wird. Denn es liegt noch viel Arbeit vor uns in Deutschland. Aber diese vier jungen Leute haben zumindest einen Anfang gemacht.