Theresa Horbach

Freie Journalistin, Weinheim

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Pestizide: Pflanzen schützen, Welt vergiften?

Pestizide verbreiten sich großflächig in der Umwelt. Der Bio-Landbau zeigt, dass es auch anders geht. Aber ausgerechnet Öko-Betriebe haben unter den Folgen des Einsatzes in der konventionellen Landwirtschaft zu leiden.

Es ist eine Zahl, die auf­rüt­telt: Jedes Jahr ver­gif­ten sich welt­weit 385 Mil­lio­nen Men­schen an Pes­ti­zi­den. Sie trin­ken kon­ta­mi­nier­tes Was­ser. Essen Lebens­mit­tel, an denen Rück­stän­de haf­ten. Sind zufäl­lig in der Nähe, wenn der Wind ein frisch aus­ge­brach­tes Mit­tel ver­weht. Oder, beson­ders häu­fig, sie ver­tei­len die Che­mi­ka­li­en selbst. Vie­le von ihnen leben im Glo­ba­len Süden. Sie wer­den nicht aus­rei­chend geschult, kön­nen die Warn­hin­wei­se auf den Packun­gen nicht lesen oder die Schutz­klei­dung nicht bezah­len. Dabei wäre ein guter Schutz gera­de für sie essen­zi­ell. Denn vie­le Wirk­stof­fe, die die EU längst ver­bo­ten hat, lan­den andern­orts nach wie vor auf den Feldern.

Welt­weit wer­den heu­te so vie­le Pes­ti­zi­de aus­ge­bracht wie noch nie: Vier Mil­lio­nen Ton­nen jedes Jahr - 80 Pro­zent mehr als noch 1990. Die meis­ten sol­len uner­wünsch­te Pflan­zen fern­hal­ten (Her­bi­zi­de), ande­re rich­ten sich gegen Insek­ten (Insek­ti­zi­de) oder Pil­ze (Fun­gi­zi­de). Die ers­ten die­ser che­misch-syn­the­ti­schen Wirk­stof­fe kamen wäh­rend der indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on auf den Markt. In den 1940ern nahm ihre Ent­wick­lung Fahrt auf - nicht zuletzt im Zuge des Zwei­ten Welt­kriegs. Spä­tes­tens seit Rachel Car­son 1962 ihren Best­sel­ler "Der stum­me Früh­ling" ver­öf­fent­lich­te, wuch­sen jedoch die Beden­ken: Wür­den die Öko­sys­te­me dem groß­flä­chi­gen Ein­satz von Mit­teln wie DDT stand­hal­ten, das für eine gro­ße Band­brei­te von Insek­ten gif­tig ist? Nach teils hef­ti­gen Debat­ten ver­schwan­den eini­ge beson­ders gefähr­li­che Sub­stan­zen in den 70er-Jah­ren wie­der vom Markt.

Fast immer wur­den sie jedoch durch neue ersetzt - so auch DDT, das heu­te fast über­all ver­bo­ten ist. An sei­ne Stel­le tra­ten zum Bei­spiel Neo­ni­ko­tino­ide. Für Insek­ten sind sie 7.000-mal so gif­tig wie DDT. Ins­ge­samt ist die Zahl der Wirk­stof­fe, die in Deutsch­land ver­kauft wer­den, in den ver­gan­ge­nen Jah­ren gestie­gen: Von 220 Sub­stan­zen im Jahr 1995 auf 251 im Jahr 2019. Beson­ders inten­siv behan­deln die Deut­schen Äpfel, Wein, Hop­fen und Kar­tof­feln. Pro Jahr und Hekt­ar kom­men hier­zu­lan­de durch­schnitt­lich 2,8 Kilo­gramm Pes­ti­zi­de aufs Feld. Damit liegt die Bun­des­re­pu­blik leicht über dem welt­wei­ten Schnitt. Spit­zen­rei­ter ist Süd­ame­ri­ka mit fünf Kilo­gramm pro Hekt­ar und Jahr. In Afri­ka liegt der Ver­brauch noch unter einem Kilo­gramm. Wie in Süd­ame­ri­ka wächst der Pes­ti­zid­ein­satz aber auch dort rasant.

Rück­stän­de im Bier, auf Spiel­plät­zen und in Naturschutzgebieten

Vie­le der Stof­fe fin­den sich inzwi­schen an Orten, an die sie nie gelan­gen soll­ten: In Natur­schutz­ge­bie­ten, auf Spiel­plät­zen, in Bier, Honig, Urin, im Grund­was­ser - und prak­tisch über­all in der Luft. ...

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