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torial Blog | Die Journalisten-App der Woche: Periscope

Sehrohr statt Erdmännchen. Wie man jetzt gleich der ganzen Welt via Live-Video Bedeutendes und Unbedeutendes mitteilt.


Vor einiger Zeit berichtete hier der Kollege Tobias Grillen über das journalistische Potential der Livestreaming-App Meerkat. Inzwischen gibt es knallharte Konkurrenz aus dem Hause Twitter und erste konkrete Fallbeispiele für einen journalistischen Einsatz der Apps Meerkat und Periscope. Beide übrigens derzeit nur für iOS erhältlich.


Jeder ist CNN

Am 26. März 2015 brennt es in New York. Noch bevor der erste Nachrichtensender berichtet, kursieren etliche Videos im Netz - im Hochformat gefilmt und live. Erst seit wenigen Stunden hat Twitter die App Periscope im App Store. Und direkt gibt es erste Stimmen, die hier eine Art neue CNN erkennen wollen. Echter als Echtzeit, schreibt Richard Gutjahr. Und: Jeder ist CNN.


Die ersten begeisterungstaumelnden Beobachtungen werden so nicht überall unterschrieben. „Meerkat und Periscope zeigen uns zwar was neu (new) ist, aber das bedeutet nicht, dass sie uns auch Nachrichten (news) zeigen", urteilt Jacob Brogan auf der Seite Slate.


Was ist daran neu

Fakt ist: Sobald man ein Smartphone mit ausreichendem Datenvolumen besitzt, kann man direkt und unmittelbar Live-Videos ins Internet streamen. Und das in einer Qualität, die noch nicht herausragend, aber in vielen Fällen gut genug ist. Der Spiegel berichtet über einen Test mit einem iPhone 5: „Die Kamera bei Periscope nimmt mit einer Auflösung von 640 mal 360 Pixeln auf. Bei Meerkat beträgt die Auflösung 568 mal 320 Pixel. Auch die Datenrate ist bei Meerkat etwas geringer: Die Videos werden mit etwas mehr als 400 Kbit pro Sekunde aufgezeichnet, Periscope überträgt Clips mit rund 500 Kbit pro Sekunde."

Das Livestreamen war auch vor Meerkat und Pericope dank Apps wie Bambuser ohne weiteres möglich. Neu ist die smartere Integration von Twitter, die einfache soziale Interaktion und das vertikal gedrehte Video. Zudem sind die Rahmenbedingungen für die Massennutzung in den letzten Jahren stetig besser geworden. Es habe zehn Jahre gedauert, aber jetzt endlich explodiere die mobile Videonutzung, heißt es bei Quartz.


Wie um alles in der Welt man jetzt aber Periscope bedient? Nichts einfacher als das: 1) Mit dem eigenen Twitter-Account anmelden 2) Zugriff auf Kamera und Micro und ggf. den Standort erlauben 3) „Start Broadcast" drücken. Der eigene Stream bleibt dann 24 Stunden online. Wenn man möchte, kann man in den Einstellungen auch „Autosave Broadcasts" aktivieren, dann werden die eigenen Videos auch in der Fotogalerie abgelegt. Und sonst? Kann man derzeit nach Menschen suchen und Accounts folgen.


Nicht jeder ist CNN

Alles, was es jetzt noch braucht, ist etwas Bemerkenswertes, was das Livestreamen lohnt. Und daran scheint es derzeit hier und da noch zu mangeln. In einem TechCrunch-Artikel berichtet die Autorin Sarah Uhr von einem Lifestream einer Ananas, die mehrere Minuten lang von einem Mann angepriesen wurde während die Autorin zusammen mit mehr als 700 Menschen an den Empfangsgeräten darauf wartete, dass etwas relevantes passiert. Aber auch bei Twitter wurde am Anfang viel herumexperimentiert. Beispiele wie der Brand in New York zeigen das Potential, auch wenn das Hochhalten eines Telefons einen Passanten noch nicht zwingend zu einem Nachrichtensender werden lässt.


Periscope, iOS, kostenlos

Periscope zeigt eindrücklich, wie einfach es ist, mit einem Smartphone live Videos zu streamen. Nicht vergessen werden sollte dabei allerdings, dass es sich hier um ein weiteres Werkzeug handelt, mit dem man ganz sicherlich sinnvoll auch als Journalist arbeiten kann. Das Werkzeug allein macht aber weder Innovation aus, noch sorgt es für gelungene Inhalte.

Sowohl Meerkat als auch Periscope produzieren Videos im Hochformat. Wie man die dann schön auf einem traditionellen Bildschirm darstellt? Gute Frage. Periscope selbst zoomt einen Ausschnitt des Bildes auf die volle Größe des Laptops. Nun ja.

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