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torial Blog | Uhren und Netzwerke - die neue letzte Meile

Und noch eine Plattform: Apple beherrscht das Besetzen der “letzten Meile” ebenso gut wie Google, Facebook oder Twitter. (Foto: Apple)

Jetzt also die Apple Watch. Man muss das neue Spielzeug nicht mögen, aber es steht exemplarisch für etwas, was Journalisten erst mal verstehen und akzeptieren müssen: Die Art und Weise, wie und wo wir unsere Inhalte vertreiben, hat sich dramatisch verändert. Zu unserem Job gehört deshalb inzwischen nicht nur das Nachdenken über das "was" - sondern zunehmend auch über das "wo und wie". Das kommt leider immer noch viel zu kurz.


In diesen Tagen wird mal wieder über das Leistungsschutzrecht debattiert. Sie wissen schon, dieses Ding, das Google daran hindern soll, sich weiterhin mit fremden Inhalten eine goldene Nase zu verdienen. Das hat bisher nur so mittelgut funktioniert, weil Google einfach alle, die ihre Links nicht mehr kostenlos zur Verfügung stellen wollten, aus dem Index für Google News geworfen hat. Völlig überraschend haben darauf sogar die Strategen bei Axel Springer festgestellt, dass das eigene Angebot etwas leiden könnte ohne all jene Nutzer, die via Google auf die eigenen Seiten kommen.


Ist das jetzt ein bisschen gemein oder vielleicht sogar ganz gemein? Egal. Wichtig ist, dass man aus der Debatte um dieses Leistungsschutzrecht, an der außerhalb unserer kleinen Medienblase ohnehin kein Mensch teilgenommen hat, einiges über den Zustand unserer Branche und die Zukunft derselbigen lernen kann (insofern muss man den Betreibern des LSR ja fast schon wieder ein bisschen dankbar sein).


Wir haben die letzte Meile verloren

Wenn um solche Dinge wie Google debattiert wird, dann drehen sich die Debatten immer um eine Frage: Verdient da nicht jemand an fremden Inhalten? An Arbeit, die sich andere mit dem Einsatz von viel Geld und Knowhow gemacht haben? Und ruinieren diese Strauchdiebe von Google damit nicht den ganzen Journalismus?


Tatsächlich aber geht es darum gar nicht. Sondern um einen Strukturwandel, der durch das digitale Publizieren entstanden ist. Der Strukturwandel heißt letztendlich nur: Wir haben die letzte Meile verloren. Also die Strecke, die zwischen dem Entstehen von Inhalt und dem Empfänger liegt. Darüber mussten wir früher nicht großartig nachdenken, weil ohnehin klar war, dass wir als Produzenten des Inhalts letzteren auch unmittelbar beim Adressaten abliefern. Heute haben sich viele Inhalte-Makler dazwischen geschaltet, die vermitteln zwischen Angebot und Nachfrage. Das muss man nicht mögen. Makler sind ja auch im echten Leben nicht die populärste Berufsgruppe. Aber das ändert nichts daran, dass sie zum einen da sind und zum anderen leider eine ziemlich gute Position haben. Nämlich die, um im Bild zu bleiben, dass sie von reichlich vielen Nutzern inzwischen den "Auftrag" zur Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage bekommen haben.


Dabei dreht es sich im Übrigen gar nicht mal um Google alleine. Facebook oder Twitter funktionieren genau genommen nach dem selben Prinzip. Sie okkupieren die letzte Meile, sind die Vermittler zwischen Inhalt und Publikum und haben daraus ein veritables Geschäftsmodell gemacht. So gesehen müsste man sie alle verklagen, Zuckerberg und Twitter und Google und wie sie alle heißen. Absurder Gedanke, das. Beschäftigen wir uns also lieber mit dem Gedanken, wie wir mit dieser besetzten letzten Meile umgehen wollen. Weg- und Wehklagen scheint jedenfalls bei genauerer Betrachtung kein richtig plausibler Lösungsvorschlag zu sein.


Die Frage ist also gar nicht, wie so gerne suggeriert: Klaut uns da irgendjemand unsere Inhalte? Stattdessen hat sich der Vetriebsweg geändert. Wir müssen uns also überlegen: Wie können wir uns mit dieser neuen letzten Meile arrangieren? Können wir das, müssen wir das, haben wir eigene Alternativen? Das ist im Übrigen nicht nur eine theoretisch-strategische Frage, sondern auch eine hübsche Antwort auf die immer noch verblüffend häufig gestellte Frage von Journalisten, warum wir uns überhaupt mit Suchmaschinen und diesem ganzen Social-Media-Kram auseinander setzen sollen.


Das passiert übrigens immer noch erstaunlich selten und mit verblüffend geringer Begeisterung: Man kann Medienmacher nach wie durchaus als Social-Media-Muffel bezeichnen, wie diese neue Studie (und nicht nur die) nahelegt.


Den einen User gibt es nicht

Zu dieser Auseinandersetzung gehört auch, dass es mit ein paar wenigen Plattformen und Strategen leider nicht getan ist. Weil sich die Mediennutzer des digitalen Zeitalters unverschämterweise die Freiheit nehmen, aus einem umfangreichen Angebot ganz nach Gusto auszuwählen, wie sie es denn gerne hätten. Das kann konsequent dauerdigital sein, das kann strikt konservatives Nutzungsverhalten sein - oder eben manchmal auch ein wüster Mix aus allem (wenn ich mir mein eigenes Mediennutzungsverhalten ansehe, dann weiß ich jedenfalls, dass es von allem möglichen geprägt ist, nur nicht von Logik).


Kurz gesagt: Es gibt viele Fragen, mit denen wir Journalisten uns auseinandersetzen müssen, aber leider keine einfachen Antworten. Und es gibt ein radikal verändertes Markt-Umfeld, das man leider nicht mit Gesetzen und anderem Kram wieder auf den Ursprungszustand zurücksetzen kann. Das klingt banal. Aber man muss den ganzen Kontext sehen, in dem wir uns mittlerweile bewegen - um dann Lösungen und Ideen zu entwickeln, die genau in diesem neuen Kontext funktionieren. Dazu gehört auch, dass es inzwischen derart viele Wege und Geräte gibt, um Medien zu konsumieren, dass man sich leider an der Nachfrage orientieren muss. Die Nachfrage gibt es überall da, wo es Bildschirme, digitale Geräte und soziale Netzwerke gibt. Selbst wenn man der Apple Watch ungefähr gar nichts abgewinnen kann, muss man sich dennoch mit der Frage beschäftigen, wie man mit welchen Inhalten auf einem Vier-Zentimeter-Durchmesser am linken Handgelenk präsent sein könnte. (Kleiner Service: Konrad Weber hat zusammen gestellt, welche Medien-Apps es bereits für die Apple Watch gibt).

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