3 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Hormonhoroskop: Hilft diese App, die Stimmung von Frauen zu erklären?

Eine Frau hat schlechte Laune? Dann sind bestimmt die Hormone schuld! Die App „Hormone Horoscope" will vorhersagen können, wie sie sich auswirken. Aber kann das funktionieren - und bei jeder Frau zutreffen?

Der Trend hin zu einem natürlichen Lebensstil, gehäufte Fälle tödlicher Lungenembolie, das Thema psychische Störungen - es gibt verschiedene Gründe, warum um die Anti-Baby-Pille eine kontroverse Diskussion entflammt ist. Obgleich es noch keine belastbaren Studien gibt, wie viele Frauen die Pille inzwischen abgesetzt haben, ein Blick in Medien und soziale Netzwerke zeigt: Sehr viele Frauen leben wieder mit ihrem natürlichen Zyklus. Dass Zyklus-Tracking-Apps boomen, ist also keine Überraschung. Einige versprechen die Berechnung des Eisprungs, andere bieten einen Perioden-Alarm. Die App „Hormone Horoscope" sticht da hervor: Sie will vorhersagen können, wie der Tag der Nutzerin so laufen wird.

Und das funktioniert laut der App so: Ein natürlicher Zyklus unterliegt jeden Monat den gleichen Hormonschwankungen. Da verschiedene Hormone verschiedene psychische Auswirkungen haben, will das „Hormone Horoscope" schon morgens wissen, ob man sich mittags motiviert oder schlapp fühlen wird, wie es um die Libido und die kognitive Leistung steht.

Die Gründerin von „Hormone Horoscope" ist Gabrielle Lichterman, eine US-amerikanische Journalistin, die im Bereich Gesundheit für Lifestylemagazine arbeitet. Im Rahmen ihrer Arbeit stieß sie Ende der Neunziger auf eine Studie, laut der „Frauen während ihres Eisprungs eher maskuline Männer attraktiv finden". Eine kurze Recherche zeigte: Es gibt noch weitere Studien, die das Verhalten von Frauen im Zyklusverlauf beschreiben. „Mir wurde klar: Du kannst vorhersagen, wie dein Tag wird, wenn du weißt, in welcher Zyklusphase du dich befindest", erklärt Lichterman. Mehrere Jahre verbrachte sie damit, die Ergebnisse der Untersuchungen zusammenzutragen. Das Ergebnis ist das Buch „28 Days. A Daily Horoscope For Your Hormones". Inzwischen gibt es das Buch auch in digitaler Form. Während die App jeden Morgen kleine Nachrichten mit tagesbezogenen Tipps schickt, kann man sich auf der Website den Zyklusverlauf am Stück durchlesen - gegliedert in vier Phasen:

Zykluswoche 1

Der Zyklus beginnt mit einem sehr niedrigen Östrogenspiegel. In Kombination mit Menstruationsbeschwerden soll das die Lust, Dinge zu unternehmen, stark bremsen. Auch chronische Krankheiten wie Asthma, Hautprobleme oder Reizdarm sorgen dann für verstärkte Symptome. Im Laufe der Woche sollten diese aber abklingen.

Je mehr das Östrogen steigt, desto mehr steigen laut „Hormone Horoscope" auch Motivation, Abenteuerlust und Kontaktfreude. Grundsätzlich sorgt Östrogen für eine bessere Stimmung.

Zykluswoche 2

In der zweiten Zykluswoche, die nach der Periode beginnt, steigt nicht nur der Östrogenspiegel weiter an, sondern auch der Testosteronspiegel. Das Hormon sorgt für eine verbesserte Konzentration und Auffassungsgabe, höheres Reaktionsvermögen und sprachliche Kompetenz. Neben schwierigen Aufgaben und wichtigen Gesprächen sollen Frauen laut „Hormone Horoscope" auch Zahnarztbesuche in diese Woche legen, da das Testosteron die Schmerzempfindlichkeit senkt. Außerdem sollen Frauen in dieser Woche häufiger und mehr Lust auf Sex empfinden.

Der inzwischen besonders hohe Östrogenspiegel soll ebenfalls weitere Effekte haben: weniger Hunger, verstärkter Muskelaufbau, sanftere Gesichtszüge. Allerdings sollen Frauen in dieser Zyklusphase aufgrund erhöhter Erregung des Gehirns verstärkt auf stress- und angstauslösende Situationen reagieren.

Zykluswoche 3

Die dritte Woche des Zyklus beginnt nach dem Eisprung. Während der Progesteronspiegel nun steigt, sinken Testosteron- und Östrogenspiegel zunächst. Für ein paar Tage können pre-PMS-Symptome auftreten - zumindest bis der Körper in der zweiten Wochenhälfte wieder mehr Östrogen produziert.

Die nun steigende Menge Progesteron im Körper soll verlangsamend und ermüdend wirken. Frauen, die darauf empfindlich regieren, könnten in dieser Phase mit Traurigkeit und häufigem Weinen reagieren. Auch Heißhunger kann das Hormon auslösen. Die Erklärung dafür ist der vergangene Eisprung: Möglicherweise liegt eine Schwangerschaft vor. Für zwei zu essen kann also nicht schaden. Allerdings beginnt damit auch ein regelrechter Teufelskreis: Durch Progesteron reagiert der Körper stärker auf den Abfall des Blutzuckerspiegels. Dem gesteigerten Essensdrang zu widerstehen ist in dieser Zyklusphase also noch viel schwieriger. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Das Zusammenspiel aus Östrogen und Progesteron sorgt für eine verbesserte Fettverbrennung.

Zykluswoche 4

In der vierten Zykluswoche fallen schließlich Östrogen- und Progesteronspiegel ab. Je niedriger der Östrogenspiegel liegt, desto höher das Risiko für schlechte Stimmung - und PMS. Frauen sind kurz vor ihrer Menstruation meist pessimistisch, kritisch und vorsichtig. Da der Progesteronspiegel trotz Abfall noch sehr hoch ist, bleibt der Heißhunger auf Kohlenhydrate vorerst bestehen. Allerdings hängt die Stärke der Symptome immer von der genetischen Veranlagung ab und davon, wie gesund der Lebensstil ist.

Taugt die Zyklus-App als Stimmungsbarometer?

Doch wie vertrauenswürdig ist „Hormon Horoscope"? Frauke Kleinsorge, Fachärztin für gynäkologische Endokrinologie in der Frauenklinik der Technischen Universität München, hält Horoskope auf Basis des Zyklus für nicht verlässlich. „Eigentlich handelt es sich da um eine starke Überinterpretation. Ähnlich wie bei gewöhnlichen Horoskopen stehen da Sachen, die eigentlich jeden Tag auf jeden ein bisschen zutreffen können." Dass sich Östrogen und Progesteron auf die Psyche auswirken können, stimme aber tatsächlich. Östrogen sorge für eine positivere Stimmung, Progesteron hingegen mache empfindsamer. PMS kurz vor der Periode sei auf den Hormonabfall vor der Blutung zurückzuführen. Die Auswirkungen der Hormone für jeden Tag so konkret zu beschreiben, hält Kleinsorge aber für nicht sinnvoll.

Diese Reaktion ist für Lichterman nicht neu. Über die Jahre habe sie mehrere Fachärzte interviewt, immer dann, wenn sie weiterführende Informationen über ein spezielles Thema benötigte. Sie selbst hat nämlich keinen Uni-Abschluss in Medizin, sondern in Anglizistik. „Leider wissen viele Ärzte gar nicht Bescheid über die Veränderungen während des Zyklus, da sie ein Spezialgebiet haben und nicht wirklich wissen, was woanders los ist", erklärt sie. Sollten „Hormon Horoscope"-Nutzer eine Diskrepanz zwischen ihrem Wohlbefinden und dem Hormonhoroskop feststellen, rät Lichterman dennoch zum Arztbesuch. „Das ‚Hormone Horoscope' sollen Frauen dann nutzen, um einen Austausch anzuregen. Etwa, wenn eine Patientin eher depressiv verstimmt ist in der Zyklusphase, in der sie eigentlich glücklich sein sollte." Das Hormonhoroskop könne so helfen, eine Störung im Hormonhaushalt zu erkennen.

Ein Selbsttest in der ICONIST-Redaktion hat zwar gezeigt: Das „Hormone Horoscope" behält meist recht. Ob man die kleinen Nachrichten am Morgen, die vom Zahnarztbesuch abraten oder schlechte Laune vorhersagen, tatsächlich so ernst nehmen sollte, ist aber fraglich. Denn wie vieles davon tritt vielleicht nur deshalb ein, weil man morgens eben gelesen hat, dass es eintreten wird? Zykluseffekte unterscheiden sich von Frau zu Frau, das zeigt die Bandbreite an PMS-Symptomen. Einige leiden an regelrechten Wesensveränderung - und andere haben gar keine Symptome.

Zum Original