Bei einem Kochkurs in der Provence lernen Besucher, wie man Ratatouille, Bouillabaise und Co. zubereitet – aber auch dass Rezepte nicht alles sind. Über die Lust am Kochen, frische Zutaten und Künstler der Küche, die Klassiker neu interpretieren.
Auf dem Tisch liegt duftender Thymian. Chefkoch Pierre zupft einige Blätter ab, legt sie neben das Gemüse und zeigt, was zu tun ist: Paprika, Möhren und Zuckerschoten in schmale Streifen schneiden, Radieschen achteln, Zwiebeln fein würfeln und Kräuter hacken. Die Teilnehmer des Kochkurses im Atelier des Chefs, einer kleinen Kochschule im Herzen von Aix-en-Provence, schauen aufmerksam zu.
Dann legen sie selbst Hand an und schnippeln eifrig drauf los. Es wird geplaudert, gescherzt, gefachsimpelt. Zwei Freundinnen am Nachbartisch erinnern sich lachend an gemeinsame Experimente am Kochtopf. Die beiden sind bereits zum dritten Mal hier, die provenzalische Küche hat für sie immer noch Neues zu bieten. Dabei geht es ihnen nicht so sehr um perfekte Garzeiten und Zubereitungsarten. Es ist vielmehr die Lust am gemeinsamen Kochen und Genießen, die im Mittelpunkt steht.
Dass die französische Küche 2010 zum Weltkulturerbe ernannt wurde, liegt auch an ihrer Vielfalt: Hausmannskost und Haute Cuisine leben von ihrer lokalen Färbung. Bei Kochkursen in Marseille spielt die berühmte Fischsuppe Bouillabaisse eine besondere Rolle, im Department Drôme Trüffelgerichte und Menüs mit Safran am Mont Ventoux.
Im Atelier des Chefs konzentriert man sich auf die moderne Küche für jeden Tag. "Wichtig ist uns, dass die Gerichte auch zu Hause leicht nachzukochen sind", sagt Anna Notari über das Konzept ihrer Kochschule. Die Italienerin leitet die Filiale des Franchise-Unternehmens seit 2010. Um Klassiker aus der Provence geht es in den zweistündigen Abendkursen: Dann zeigt Pierre, wie man Ratatouille, Gemüsesuppen oder Gerichte mit Lamm, Kalb oder Geflügel zubereitet. "Die provenzalische Küche ist eher einfach. Das Besondere sind die frischen Zutaten, die hier aus der Gegend stammen, vor allem Gemüsesorten wie Tomaten, Auberginen und Zucchini. Und natürlich Kräuter, Knoblauch und Olivenöl", sagt Pierre.
Zu einigen der Kurse im Atelier des Chefs gehört auch ein gemeinsamer Besuch des Marktes von Aix. "Wir zeigen den Teilnehmern, worauf sie beim Einkauf der Zutaten achten müssen," sagt Notari. Auch wenn das Publikum sehr international ist, geschieht dies üblicherweise auf Französisch. Viele der ausländischen Kursteilnehmer sind Touristen oder Sprachschüler, die neben der französischen Sprache auch die Kultur kennenlernen wollen. Notari kooperiert daher mit einigen der Sprachschulen im Ort. Aber auch Einheimische aus der Umgebung von Aix besuchen die Kochkurse, meist in kleinen Gruppen von Freunde, die gemeinsam etwas unternehmen wollen.
Provenzalische Klassiker neu interpretiert
Mit weißer Schürze steht er in der Küche des Lokals und bereitet mit viel Hingabe seine Spezialität "fleurs de courgettes farcies", gefüllte Zucchini-Blüten, zu. Behutsam streicht er die gelben Blütenblätter zurück, füllt mit einer Spritztülle langsam die feine Geflügelfarce hinein und streicht dann zart die Blätter über der Füllung wieder zusammen.
"Kreativ zu sein macht den besonderen Spaß beim Kochen aus", sagt Philipp, der beim berühmten Sternekoch Alain Ducasse gelernt hat. Er wendet die Augen kurz von den Blüten ab und blickt über den Rand seiner schmalen Brille: "Der Kochlöffel des Küchenchefs braucht eine gewisse Freiheit des Geistes - so, wie die Feder des Journalisten." Das sei seine persönliche Devise. Erst kürzlich hat der Restaurantführer Gault Millau seinem Lokal wieder zwei Hauben verliehen, neben den Michelin-Sternen die begehrteste Auszeichnung der Haute Cuisine.
Philipp kauft für sein Lokal fast alles auf dem Bauernmarkt von Velleron ein, der zu den schönsten Märkten Frankreichs zählt und zufällig jeden Abend nur wenige Meter von seinem Lokal entfernt stattfindet. Hier kennt er die Produzenten persönlich und weiß, welche Produkte sie anbieten.
Der weltberühmte Sternekoch Paul Bocuse soll einmal gesagt haben: "Eine wahrhafte und gute Küche besteht zu neunzig Prozent aus hochwertigen und frischen Zutaten und zu zehn Prozent aus Phantasie." An diesen Leitsatz halten sich viele Franzosen: Sie kaufen Obst und Gemüse, wenn es reif auf dem Markt zu bekommen ist, greifen nur zu wirklich frischem Fisch und wissen, woher der Metzger ihres Vertrauens sein Fleisch bezieht.
Zutaten direkt vom Erzeuger
Jeder Ort in der Provence hat seinen Markt. Und jeder von ihnen hat seinen eigenen Charakter. In L’Isle-sur-la-Sorge reihen sich große und kleine Stände dicht an dicht in den Straßen und Gassen der Innenstadt, am Flussufer treffen sich Trödel- und Antiquitätenfans. In Velleron oder Pernes-les-Fontaines dagegen kommen die Bauern mit kleinen Transportfahrzeugen vorgefahren und verkaufen ihre Waren direkt aus der Heckklappe. Darunter jede Menge Köstlichkeiten: kleine runde Ziegenkäse in verschiedenen Reifegraden, selbst erzeugtes Olivenöl, duftende Aprikosen, leuchtend rote Erdbeeren. Das Auge kann sich kaum sattsehen an der Pracht von Farben. Und die Nase erlebt ein Fest der Gerüche: der süßliche Duft reifer Früchte, das würzige Aroma der Oliven, der intensive Geruch von Basilikum, Thymian und Koriander. Und alles scheint nur darauf zu warten, von Künstlern am Kochtopf zu provenzalischen Klassikern verarbeitet zu werden.
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