
Redaktionsmitglied Tamara Schempp ist auf der Suche nach gratis Leistungswasser in der Offenbacher Innenstadt unterwegs. Foto: Privat
Wie einfach ist es, eine mitgebrachte Flasche in der Innenstadt mit Leitungswasser aufzufüllen? Die deutschlandweite Bewegung „Refill" will Geschäfte bewegen, diesen Service kostenlos anzubieten. Der Verein Stadtmenschen will das Projekt auch in Offenbach umsetzen. Ein Selbstversuch zeigt vorab verschiedene Reaktionen der Händler, wenn es heißt: „Auffüllen, bitte."
Ein fragender Blick, dann gehen die Augenbrauen nach oben. Die stark geschminkte Dame im Klamottengeschäft an der Frankfurter Straße schaut mich an, als hätte ich sie soeben etwas gänzlich Abwegiges gefragt. Dabei wollte ich nur, dass sie mir meine Flasche mit Leitungswasser befüllt. Sie fängt an zu stottern: „Das geht momentan leider nicht." „Momentan oder nie?", frage ich sie. Die junge Frau lacht unsicher. „Meine Chefin ist nicht hier, da kann ich das nicht machen." Also verlasse ich das Geschäft wieder. Doch so schnell gebe ich nicht auf.
Mit meiner Glasflasche gewappnet, bin ich in der Innenstadt unterwegs, um zu testen, wie Verkäufer und Inhaber reagieren, wenn ich sie nach Leitungswasser frage. Wer unterwegs Durst bekommt und nichts zum Trinken dabei hat, muss sich etwas kaufen. Das kann für manchen zu teuer sein. Andere tragen Bedenken mit sich herum: In Mineralwassern wies die Stiftung Warentest in einer aktuellen Untersuchung „unerwünschte Spuren aus Landwirtschaft, Industrie und Haushaltsabwasser" sowie einen verfälschten Geschmack durch den chemischen Stoff Acetaldehyd nach. Da kann mancher glauben, Leitungswasser sei gesünder als Mineralwasser.
Ich starte den nächsten Versuch. Vier Minuten beim Augenoptiker: Die etwas schüchterne Frau am Tresen schickt mich nach anfänglicher Irritation mit dem Aufzug nach oben zum Kollegen, wo ich mich am Waschbecken bedienen darf. „Ist ja nur Wasser", sagt der junge Mann im Anzug und zuckt mit den Schultern. Drei Minuten brauche ich im Herrensalon nebenan: Der junge Friseur springt von seinem Ledersessel auf, als ich frage: „Kann ich bei Ihnen meine Flasche auffüllen?" „Ja natürlich, kein Problem", sagt er freundlich und zieht den Vorhang zur Teeküche zur Seite. Ob das Wasser heiß sein soll, fragt er und zeigt auf einen Tank, der für die Zubereitung von Tee vorgesehen ist. Dass Waschbecken und Wandkacheln mal wieder eine Grundreinigung vertragen könnten, trübt die Freude über die Gastfreundlichkeit ein wenig.
Zwei Minuten bei Musik André: „Süß" findet der Verkäufer meine Frage. „Das ist so ungewöhnlich", sagt der junge Mann. Er begleitet mich zum Waschbecken in der Toilette. „Gern können Sie wiederkommen", sagt er mit einem verschmitzten Grinsen. Bei Blume 2000 um die Ecke: Mit einem höflichen Lächeln gibt mir die Auszubildende meine Flasche gefüllt zurück. Die hat ihre Kollegin zunächst für eine Vase gehalten. „Hier kriegt jeder Wasser, des is' ja überhaupt kaa Thema", sagt die gebürtige Aschaffenburgerin. Sie hält es für ein „Armutszeugnis", wenn sie für Leitungswasser bezahlen muss, etwa in Restaurants. „Wasser sollte für jeden zugänglich sein."
Die Pharmazeutin in der Apotheke begleitet mich zögerlich ins Nebenzimmer zum Wasserhahn. Ich erkläre ihr die Idee hinter „Refill". Die blonde Frau verschränkt die Arme. Zustimmung sieht anders aus. „Ich habe unterwegs immer was zu Trinken dabei, jeder muss für sich selbst sorgen", sagt sie. Verweist aber gleich auf den Wasserspender, der für Apotheken-Kunden bereit steht. Ihre Kollegin hat Angst vor Diebstahl, wenn sie abgelenkt würde, um eine Flasche zu befüllen. „Es wäre eine Belastung für mich, wenn jede halbe Stunde jemand wegen Leistungswasser käme." Ich verlasse die Apotheke. Wer viel trinkt, muss irgendwann eine öffentliche Toilette suchen. Aber das ist in Offenbach ein anderes Thema
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