Tamara Marszalkowski

Freie Journalistin, Frankfurt am Main

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Artikel

Wirklichkeit wie Irrsinn

Auch schöpft er aus eignen früheren Bildern und macht sich dadurch zum Karikaturisten seiner selbst. Dennoch sind die Bilder der „Période vache" fast das Gegenteil zu seinen sonst für ihn typischen Bildern, die kühl, präzise und naturgetreu gemalt sind. Ihnen liegt immer ein konzeptionelles Kalkül zugrunde. Die „vache"-Bilder dagegen sind bunt, flächig, schnell gemalt und von einer plötzlichen Direktheit und Spontaneität. Mit dieser Hinwendung zu einem kruden, spielerischen und bewusst „schlechten" Malen reflektiert Magritte nicht nur sein eigenes Schaffen, sondern die Malerei generell.

Schatten als einzige Wahrheit

Diese Werkgruppe entstand aus Magrittes Überlegungen zu Platons Höhlengleichnis. Das Gleichnis handelt davon, wie Menschen, die in einer Höhle leben und festgebunden sind, nur die Schatten von Objekten sehen, die von einem fernen Feuer an die Höhlenwand projiziert werden. Von dem Ausgang der Höhle wissen und sehen sie nichts. So nehmen die Gefesselten die Schatten als ihre einzige Wahrheit wahr. Käme einer von ihnen frei, so würde er geblendet vom Licht der Sonne und verwirrt, nichts von seiner Außenwelt für real halten, abgesehen von dem was er kennt: ihrer Schatten. Erst peu à peu würde er die Erzeuger der Schatten als Wirklichkeit erkennen. Mit den Bildern der „Période vache" will Magritte den Effekt imitieren, der eintritt, wenn jemand die Höhle verlassen hat und die Wirklichkeit wie Irrsinn wahrnimmt. Auf diesem Gleichnis begründet Magritte auch sein Manifest mit dem er den Surrealismus reformieren will und ruft die anderen Surrealisten dazu auf, die Höhle zu verlassen.

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