Svana Kühn

Redakteurin Politik und Gesellschaft / Content Managerin, Osnabrück

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Delmenhorster Feminist Friday-Gründerin über Komplimente und Sexismus

Feminist Friday-Gründerin Virginia Sroka-Rudolph erklärt, wo die Unterschiede zwischen einem gelungenen Kompliment und einer bewusst oder unbewusst sexistischen Herabwürdigung liegen. Foto: Pawel Zawadzki

Delmenhorst. Komplimente bekommen alle gerne - unter Umständen können sie aber auch danebengehen oder sogar diskriminieren. Virginia Sroka-Rudolph, Gründerin der Gruppe Feminist Friday in Delmenhorst, erklärt, wie Komplimente Geschlechterstereotype festigen.


Komplimente – wer bekommt sie nicht gerne? Vor allem heute, am Welttag der Komplimente. Ob besondere Eigenschaften, Leistungen oder eine geschmackvolle Kleiderauswahl kommentiert werden – eine wohlwollende, freundliche Bemerkung ist immer willkommen. Oder etwa nicht? Unter Umständen kann das Kompliment auch mal danebengehen – schlimmer noch: Es kann diskriminieren.


Diskriminierung unter dem Deckmantel eines Kompliments

Wenn wir an Diskriminierung, an Sexismus, Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie denken, dann denken wir meist an offene Ablehnung oder offensive Beleidigung. Diskriminierung beginnt aber meist schon viel früher – manchmal auch in einem vermeintlichen Kompliment. 


„Frauen können nicht einparken“, "Frauen haben keine Ahnung von Fußball" oder "Frauen quasseln stundenlang am Telefon" sind ganz eindeutig sexistische Vorurteile. Aber „Frauen sind fürsorglich“ oder "Frauen können Multitasking"? Ist das nicht nett? Auf den ersten Blick scheinen solche Geschlechterstereotype harmlos. Aber auch vermeintlich positive Vorurteile können dazu beitragen, klassische Rollenbilder zu festigen. Nämlich immer dann, wenn bestimmte Verhaltensweisen, Talente oder Interessen auf das Geschlecht zurückgeführt werden.


Feminist-Friday-Gründerin Virginia Sroka-Rudolph erklärt, wo die Unterschiede zwischen einem gelungenen Kompliment und einer bewusst oder unbewusst sexistischen Herabwürdigung liegen – und wo die Grenzen auch manchmal verschwimmen.


"Frauen werden häufig für ihr Äußeres gelobt"

Aussagen wie "gute Arbeit", "tolle Leistung", "ich mag deinen Humor" oder "ich bewundere deine Stärke" machen Mut und geben dem Gegenüber ein gutes Gefühl. Bei Aussagen, die mit dem Aussehen zu tun haben, werde es dann aber schon ein Stück schwieriger: "Frauen werden häufig für ihr Äußeres gelobt", sagt Sroka-Rudolph. Das sehe man auch in den Medien: "In Anmoderationen heißt es oft 'die attraktive oder wunderschöne Frau soundso'. Bei Männern wird hingegen oft die körperliche Stärke oder unternehmerische Leistung betont." Frauen zu ihren Haaren, Augen oder Lippen zu beglückwünschen oder für ihre weiblichen Rundungen zu loben, mag vielleicht nett gemeint sein, diskriminierend sei es aber dennoch, denn diese Bemerkungen würden Geschlechterstereotype bedienen.


Das solle aber nicht heißen, das Anmerkungen zu Kleidung oder dem äußerlichen Erscheinungsbild grundsätzlich tabu sind: "Es kommt immer auf den Kontext und auf das Verhältnis an, in dem die Menschen zueinander stehen." Vom Partner, dem besten Freund oder der besten Freundin ein Kompliment für ein besonders schönes Kleid zu bekommen, sei etwas anderes als vom Chef oder einem Arbeitskollegen. "Häufig geht es hier um ein Machtgefälle." Wird das Kompliment auf Augenhöhe gegeben oder von Oben herab? Letztendlich bestimme aber immer der Adressat oder die Adressatin, ob das vermeintliche Kompliment auch als solches aufgefasst wird. "Und auch der Ton macht die Musik."


Kampagne zum Thema Catcalling

Für dieses Jahr hat Feminist Friday eine Kampagne zum Thema Catcalling geplant. Catcalling ist der Oberbegriff für die unerwünschte Belästigung von Frauen durch fremde Personen im öffentlichen Raum. Das können Pfiffe, anzügliche Bemerkungen oder auch stierende Blicke sein "Auch das ist eine Form von Gewalt", sagt Sroka-Rudolph. 


Doch wie reagiert man auf unerwünschte Bemerkungen? "Das kommt ganz auf den Typ an. Es ist natürlich super, Grenzen aufzuzeigen und dem Gegenüber zu vermitteln, dass man sich unwohl fühlt." Nicht für alle sei das aber immer leicht. "Vor allem, wenn es sich um Vorgesetzte handelt, wird der unangemessene Kommentar auch häufig mal weggelächelt." Im Unternehmen könne man sich an die Gleichstellungsbeauftragte oder eine andere Vertrauensperson wenden, sollte einem die direkte Konfrontation schwerfallen.


Aber auch im öffentlichen Raum könne man den Täter konfrontieren. "Es kann sehr ermächtigend sein, jemandem entgegenzutreten." Man solle aber keine Fragen stellen wie: "Hey, was soll das?" Damit würde man den anderen einladen zu antworten und ihm damit eine Bühne geben. "Manche wollen sich auch einfach in der Gruppe profilieren."


Sexistische Komplimente können aber auch im Freundes- und Familienkreis vorkommen: "Plane du doch lieber den Kindergeburtstag. Als Frau hast du ein Händchen dafür." Wie soll man reagieren? "Wenn man die Energie hat, sollte man auch da das Gespräch suchen." Aus eigener Erfahrung kann Sroka-Rudolph aber sagen, dass hier häufig mit Sprüchen wie "Heute darf man aber auch nichts mehr sagen" oder "Du bist aber auch empfindlich" gekontert wird und nur selten ein konstruktives Gespräch zustande kommt. 

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