Susanne Karr

freie Kulturredakteurin, Wien/München

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Second Life für Gebäude

Volksschule Semriach, Steiermark © Luttenberger

Die Renowave.at "Impact Days" von 17. bis 18. Oktober in Graz konzentrieren sich auf das Thema ganzheitliche Sanierung und stehen im Zeichen von Informations-und Wissenstransfer. Im Zuge dessen prämiert der Education for Future Award ein Gewinnerprojekt.


Das genossenschaftlich organisierte Innovationslabor Renowave hat sich im vorigen Jahr mit Standorten in Wien und Gleisdorf gegründet und konzentriert sich auf klimaneutrale Gebäude- und Quartierssanierungen in Österreich. Das Labor dient als unabhängiger Knotenpunkt für Innovationsprojekte im Renovierungssektor und unterstützt Initiativen im Zusammenhang mit Demonstrationsgebäuden und Stadtvierteln dabei, einen klimaneutralen Gebäudebestand zu fördern. Die serielle Sanierung in Österreich wird vorangetrieben.


Renowave verfolgt einen partizipativen Ansatz und steht allen interessierten Parteien und Stakeholdern offen. Seine Hauptziele sind die Vereinfachung, Kosteneffizienz und Beschleunigung hochwertiger Renovierungen durch die Förderung von Innovationen. Um dies zu erreichen, bietet Renowave Experimentierräume und Laborinfrastruktur, um vielversprechende Ideen in die Realität umzusetzen. Oberstes Ziel sind die Schaffung eines lebenswerten und klimaneutralen Gebäudesektors und die Beschleunigung der Renovierungsbemühungen in der Bau- und Immobilienbranche.


Neben dem theoretischen Forschungsbereich bringt sich das Innovationslabor auch praktisch in Diskussionen um Wohnrechtsreform und Finanzausgleich ein. Arbeitsgruppen ermitteln den Forschungsbedarf von Innovationsfeldern. Dazu gehören die Bereiche Datengrundlagen, Ressourcen, multifunktionale und klimaneutrale Gebäudehülle, erneuerbare und klimaneutrale Energieversorgung, Nutzer*innenintegration und Prozessbegleitung, Geschäftsmodelle & Recht; interdisziplinärer, gesamtheitlicher Planungs-, Bau-, und Betriebsprozess sowie Baukultur und New European Bauhaus. Geplant sind Fachbeiräte, die dem Innovationslabor beratend zur Seite stehen, in folgenden Bereichen: Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, Finanzierung und Geschäftsmodelle, Energiearmut und soziale Aspekte der Gebäudesanierung, Baukultur und Gestaltung, außerdem internationale Zusammenarbeit.


Das österreichische Klimaneutralitätsziel sieht vor, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Mit einer Erhöhung der Sanierungsrate und -qualität unterstützen die Projekte von Renowave dieses Ziel. Hochwertige Sanierungen verlängern den Lebenszyklus von Gebäuden und reduzieren die Treibhausgasemissionen im gesamten weiteren Lebenszyklus durch den weiteren Betrieb, während partielle oder mäßige Sanierungen zu einem negativen "Lock-in"-Effekt führen können, der dem Erreichen von Österreichs Klimaneutralitätsziel abträglich ist. Klimaneutrale Sanierungen helfen, langfristige negative Umweltauswirkungen zu vermeiden.


Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Gebäudesanierungen ist ein zentrales Ziel von Renowave. „Wir haben im ersten Jahr gleich zwei unterschiedliche Lehrgänge für nachhaltige Gebäudesanierung und Heizungstausch auf den Weg gebracht und in Kooperation mit dem Land Kärnten und dem Land Steiermark ein Umdenken zugunsten der Sanierung anstoßen können“, freut sich DI Susanne Formanek, Vorstand und kaufmännische Projektleitung.


Zentral für die effiziente Nachrüstung bestehender Gebäude ist das Konzept der Klimaneutralität: Gebäude und Stadtviertel sind mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens von 2015 in Einklang zu bringen. Die auf der COP21 beschlossenen Klimaziele müssen verbindlich und nicht verhandelbar umgesetzt werden, um noch massivere Auswirkungen des bereits deutlich spürbaren Klimawandels einzudämmen und die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.


Momentan wird die Sanierungsrate beim österreichischen Wohnungsbestand mit 1,7 Prozent (Quelle: IIBW) angegeben. Um die Klimaziele zu erreichen sind aber mindestens 2,5 Prozent nötig. Im letzten Jahr sank die Anzahl von Sanierungsprojekten, was teilweise auch an den rechtlichen Rahmenbedingungen liegt. So können Einzelpersonen etwa eine effiziente Heizungsumstellung des gesamten Gebäudes hinauszögern und verteuern. Ulla Unzeitig die im Vorstand ist und verantwortlich für Kommunikation und Strategie zeichnet, erklärt, dass eine aktuelle Definition damit zu tun hat: „Eine Dekarbonisierung wird derzeit wohnrechtlich als Verbesserung und nicht als Erhaltung eingestuft. Dieser kleine Unterschied hat zur Folge, dass ein Einverständnis der Mieter:innen unumgänglich ist. Einer Umstellung wird - aus den unterschiedlichsten Gründen - oft nicht zugestimmt. Dieses Veto hat daher zur Folge, dass die Heizungsumstellung auf der Strecke bleibt. Es kann nicht sein, dass Österreichs Klimaneutralität von Einzelmeinungen abhängig ist."


Wie man sich die praktische Umsetzung vorstellen kann, zeigt ein Beispielprojekt in der Steiermark. In Semriach wurde die Volksschule von Architekt Gerhard Kopeinig von Arch+More, saniert. Er ist Genossenschafter der Renowave und auf Sanierung spezialisiert. Folgende Maßnahmen verleihen der Volksschule Semriach neue Lebenszeit: thermische Sanierung, Verwendung eines Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung, Errichtung einer Photovoltaikanlage, Einsatz ökologischer Dämmstoffe (lt. Österreichisches Umweltzeichen und natureplus). Das Gebäude entspricht dem klimaaktiv Gold Standard. https://mustersanierung.at/projekte/volksschule-semriach/ http://www.archmore.cc/cms/


Zum Original