Susanne Karr

freie Kulturredakteurin, Wien/München

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Artikel

Die Al­chemie der Keramik­erzeugung

Die neue Kollektion Meda von Peter Wirz (© Laufen)

Badkeramik mit passenden Möbeln präsentierte der Keramikhersteller Laufen im gleichnamigen Ort nahe Basel. Drei internationale Designer stellten ihre neuen Linien vor, allesamt von Eleganz geprägt.

Hallen mit Ventilatoren, Hochleistungsöfen, Werkbänke für manuelles Ausschneiden führen vor Augen: Keramikerzeugung ist Präzisionsarbeit mit erstaunlich viel handwerklichem Einsatz. Viele Komponenten müssen perfekt zusammenpassen, wenn ein einwandfreies Produkt entstehen soll. So werden etwa alle Stücke nach der Trocknung mit der Hand und mit Schwamm abgewischt, und dieser Vorgang erfordert viel Sensibilität. Die Konsistenz des noch ungebrannten Materials wird mit der Brüchigkeit von Schokolade verglichen.
Wie lange es wohl gedauert haben muss, die Temperatur für den Quarzsprung (573°) herauszufinden. Zu bedenken ist hierbei auch, wie lange es die Technik der Keramikverarbeitung bereits gibt – geschätzte 10.000 Jahre. Ein alchemistisch anmutender Prozess, diese Kunstfertigkeit der Formgebung mit präziser Kalkulation der Schrumpfung, dann das Trocknen und Brennen. Wie viel Trial-and-Error, Berechnung und Beobachtung notwendig waren, genau die passende Brandtemperatur und -dauer zu finden. Eine solche Produktionsführung macht bewusst, wie viele Arbeits- und Denkschritte unseren alltäglichen Produkten zugrunde liegen.  

Nachhaltigkeit ist in der Keramikproduktion eine Selbstverständlichkeit. Fehlerhafte Produkte werden zerkleinert und, je nach bereits erfolgtem Verarbeitungsgrad, entweder völlig recycelt oder im Straßenbau weiterverwendet. Auch die Inhaltsstoffe sind vollkommen natürlich.


Vernickelt und verchromt
Auch Armaturen gehören zu einer Garnitur. Sie werden ebenfalls von Laufen produziert. Interessanterweise arbeiten in diesen Fertigungshallen auch einige Frauen – im Bereich Keramikverarbeitung war nur eine einzige zu sehen. Aus den geschmolzenen Messing-Nuggets werden alle Armaturen-­Rohlinge hergestellt. Am Ende der Fertigung werden sie vernickelt und verchromt, manche weiterbearbeitet in chemischen Reaktionsprozessen, in denen eine plasmaartige Substanz mit den Atomen des Chroms eine fixe Verbindung eingeht – voilà, der schicke, matt schwarze Wasserhahn. Oder andere Varianten.

Die Metallverarbeitung ist hochtechnisiert. So schwenken etwa Roboterarme die vorgefertigten Rohre zur Säuberung und Polierung, wobei man sich kaum vorzustellen vermag, welch unendliche Schleife an Berechnungen der Konstruktion solcher Maschinen vorausgeht.


Lösungen für das smarte Bad 

 Nach der Werksführung folgte die Präsentation dreier neuer Designkonzepte. Ein wichtiger Teil davon ist die Integration innovativer Lösungen für das smarte Bad - mit intelligenten ressourcenbewussten und zeitsparenden Installationen, die Planer, Architekten, Handel und Handwerk unterstützen - und natürlich diejenigen, die die Produkte verwenden. Im größeren Rahmen werden die Neuheiten zudem auf der Messe für das Bad, der SH in Frankfurt am Main, vorgestellt. Form, Funktion und Farbe sowie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Hygiene standen auch hier im Mittelpunkt.


Neue Kollektionen 

 Die neue Kollektion des Schweizer Designers Peter Wirz, „Meda", zeigt sich minimalistisch. Der frühere Spitzensportler - Wirz nahm an zwei olympischen Spielen in der Disziplin Mittelstreckenlauf teil - richtet mit dem Ensemble aus Keramiken, Badewannen, Möbeln und Armaturen das gesamte Bad ein wie aus einem Guss. Die Geometrie folgt einerseits einer geraden Linienführung mit rechten Winkeln in der Außenform, im Inneren entstehen durch das Design große Eckradien. Großzügige Abstellflächen beweisen Pragmatik, der umlaufende Rand schützt vor überfließendem Wasser. Die Armaturen nehmen die Designsprache der ovalen Waschtisch-Grundform auf und kombinieren schlanke, zylindrische Körper mit einem breiten Auslauf. Schlank und reduziert zeigen sich auch die drei Badewannen-Varianten aus Marbond, einem glänzenden, hochwertigen Mineralwerkstoff. Sie können zweifarbig ausgeführt werden, mit dunkler Außenseite. Auf die keramischen Elemente abgestimmt ist die Badmöbelkollektion, die in unterschiedlichen Oberflächen - Lack in 40 Farben oder Holzdekor in Wildeiche - zu haben sind. Eine weitere Badvariante hat der französische Designer Toan Nguyen für Laufen gestaltet. Modular strukturiert folgen die Elemente einer klaren Linienführung. Sinnvolle Nutzung und verständliche Formen kombiniert mit einem optimierten Herstellungsverfahren stehen im Vordergrund, wie es auf seiner Website heißt, „ohne jedoch die Sinnlichkeit der Materialien und die emotionale Wirkung des Objekts zu vernachlässigen". Keramikelemente und Armaturen dieser Linie heißen „Lua". Jedes Teil erhält seine eigene Rolle innerhalb der Kollektion. Das dazu passende Möbelset „Lani" korrespondiert mit seinen schlanken Formen und verspricht „den Traum vom gut gestalteten, stets aufgeräumten Bad wahr zu machen". Schließlich präsentierte Stefano Giovannoni den Relaunch seiner Kult-Kollektion „Il Bagno Alessi". Die Weiterentwicklung hat ikonische Keramikobjekte mit großzügigen, weichen und fließenden Formen zum Resultat. Die geschwungenen Formen der großen Formate in Saphirkeramik stellen eine besondere Herausforderung dar, nicht nur bezüglich der einzuberechnenden Schrumpfung beim Brennprozess. Auch das Gewicht des frei stehenden Waschtischs oder die große Fläche des neuen geschwungenen Beckens fordern besonderes Fingerspitzengefühl in der Herstellung. Die Präsentation dieser künstlerischen, jedoch durchaus praktisch verwendbaren Badobjekte verweist auf ihre eigene Designgeschichte. Das Sprechen über Klassiker des Baddesigns erinnert an die Mission von Laufen, diesen privaten Ort der Intimität als echten und besonderen Lebensraum zu etablieren.

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