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Andrew Tate: Es gibt nur einen Gott

© [M] ZEIT ONLINE; Foto: nquam Photos/​Sabin Cirstoveanu/​Reuters

Andrew Tate – ein Muslim? Der König der toxischen Männlichkeit behauptet, konvertiert zu sein. Wie die Religion in sein Weltbild passt





"Die Dschihadisten des IS sind gute Muslime."

"Die Taliban bringen Afghanistan Recht und Ordnung."

"Der Islam ist die Antwort auf die Probleme der westlichen Welt."

All diese Aussagen stammen von Andrew Tate, jenem Onlineguru, der als "König der toxischen Männlichkeit" mit frauenverachtenden Inhalten berühmt wurde. Vor einigen Monaten ist er zum Islam konvertiert, sagt er. Aber wie religiös ist er wirklich? Und geht es ihm wirklich um den Islam - oder nur um ein Zerrbild davon?

Tate ist einer, der gegen jeden Trend zu mehr Klimabewusstsein mit seinen PS-starken Karren protzt: Bugatti, McLaren, Rolls Royce, Ferrari, Lamborghini, insgesamt mit einer Kollektion von mehr als 30 Luxusautos. Einer, der aussieht wie aus einem Neunziger Jahre Film, als einsame Kämpfertypen wie Bruce Willis, Jean Claude Van Damme oder Rambo noch cool waren: muskelbepackt, sauber ausrasierter Bartansatz, das spärliche Kopfhaar zur Glatze geschoren, das Shirt immer eine Nummer zu klein. Einer, der seinen Hass auf Frauen bei jeder Gelegenheit heraushängen lässt und der nach Rumänien gezogen ist, weil man da dank laxerer Gesetze mit Frauen "machen kann, was man will", wie er in einem Video behauptete - was sich als falsch erwiesen hat. Im Dezember wurde er von der rumänischen Polizei verhaftet, ihm werden Vergewaltigung und Menschenhandel vorgeworfen.

Andrew Tates Content wird in sozialen Medien millionenfach geklickt und geteilt, auf TikTok, Twitter, Instagram. Er war 2022 eine der zehn meistgegoogelten Personen weltweit. Kleine Jungs imitieren ihn in der Grundschule und sagen zu ihren Lehrerinnen Dinge wie: "Männer sind besser als Frauen" oder "Mach' mir ein Sandwich". Aus Protest gegen seinen Gefängnisaufenthalt ziehen Jugendliche von Athen bis Sydney durch Fußgängerzonen und skandieren "Free Top G" - "Top Gangster" nennt Tate sich selbst - oder spielen seine Hymne, wie Videos angeblich zeigen. Schwer zu unterscheiden, was Propaganda aus dem Tate-Kosmos ist und was echte Anhängerschaft - und ob es da überhaupt noch einen Unterschied gibt.

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Weil Tate so großen Einfluss gewinnen konnte, wird er von Medien oft als "Phänomen" bezeichnet. Doch Tate selbst ist eigentlich nicht das Phänomen, er ist höchstens ein Teil davon. Die extreme Ausprägung einer Bewegung, zu der auch andere radikale Rädelsführer wie Donald Trump, Peter Thiel oder Björn Höcke gehören. Sie kommen aus unterschiedlichen Milieus, können religiöse Hardliner, Rechtsextreme oder milliardenschwere Techinvestoren sein. Was sie gemeinsam haben: Männlichkeit ist ihre Ideologie und der Aufstieg der Frauen ihre größte Kränkung. Sie wollen das Patriarchat zurück und aus Männern wieder harte Kämpfer machen, "Alphas". Sie haben gemerkt, dass sich damit viele Menschen mobilisieren lassen - und, dass diese Menschen bereit sind, viel Geld auszugeben oder ihnen ihre Stimme zu geben. So ist auch Andrew Tates Streit mit Klimaikone Greta Thunberg auf Twitter kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres nur Teil einer Entwicklung, in der Männer junge Frauen als "Rotzgören" diffamieren, weil diese in führenden Rollen männliche Freiheiten bedrohen - zum Beispiel die Freiheit, den Planeten nach Belieben auszubeuten. Dazu passt die Verehrung eines dschihadistischen Islamismus.

Ein Mann, der für seine Überzeugungen in den Tod geht

Diese Entwicklung ist nicht neu. Katholische und evangelikale Fundamentalisten schließen sich seit vielen Jahren mit radikalen bis extremen Rechten zusammen, um eine Gesellschaftsordnung zu verteidigen, in der Männer über Frauen herrschen. Auf diese Weise ist Donald Trump in den USA zu politischer Macht gekommen oder die PIS Partei in Polen. Die Folge davon ist, dass das Abtreibungsrecht in beiden Ländern stark beschränkt wurde. Der Trend lässt sich beobachten, seit Frauen und die voranschreitende Gleichberechtigung dank des Internets sichtbarer geworden sind. Doch der Schulterschluss mit extremistischen Formen des Islam - das ist eine neue Wendung.

Bisher waren Musliminnen und Muslime vor allem ein Feindbild dieser Bewegungen. Was sich aber schon länger zeigt, ist die Bewunderung für das martialische Männerbild der Dschihadisten: ein Mann, der für seine Überzeugungen kämpft, der dafür ohne mit der Wimper zu zucken in den Tod geht. Solche Verherrlichungen finden sich zum Beispiel bereits beim rechtsterroristischen Attentäter von Oslo und Utøya. Seinen Mord an 77 Menschen im Jahr 2011, fast die Hälfte von ihnen unter 18 Jahren, nannte er "Märtyreroperation", nach dem Vorbild von islamistischen Terroristen. Er schreibt in seiner eineinhalbtausend Seiten langen Hassschrift: "Muslime tun alles in ihrer Macht Stehende, um ihren Alphajungs beizubringen, stark, aggressiv und skrupellos zu sein." Während im Westen der Feminismus die Jungs verweichliche. Sechs Jahre später rufen in den USA Rechtsextreme von "Unite the Right" in Charlottesville "Weiße Scharia jetzt!". Die Idee der "weißen Scharia" ist: "Weiße Männer" unterwerfen und vergewaltigen "weiße Frauen", weil nur so die "weiße Rasse" vor dem Islam und anderen vermeintlichen Bedrohungen gerettet werden könne - mit den Methoden des Dschihadismus.


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