Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Klimaresilienz für Landsberg: Ideen für Übermorgen

Fassadenbegrünung geht auch anders.

Landsberg - Klimaresilienz ist für Städte essenziell. Stadtbaumeisterin Annegret Michler nennt Ideen - und wie sie in Landsberg umsetzbar wären.


„Wenn wir den Hauptplatz jetzt neu bauen würden, würden wir ihn sicher anders bauen. " Mit ‚jetzt' meint Stadtbaumeisterin Annegret Michler die von Klimawandel und extremen Wetterereignissen veränderte Gegenwart. Ein neuer Hauptplatz hätte mehr Bäume. Und im Untergrund einen ‚Schwamm' zur Wasserspeicherung. Aber nicht nur die Schwammstadt ist ein notwendiges Zukunftskonzept. Auch andere Maßnahmen sind unausweichlich. Selbst wenn sie sich wie Utopien anhören - Ideen für Übermorgen.

Kopenhagen lebt schon im Übermorgen: Parks werden dort zu Wasserwannen, Straßen zu künstlichen Flussbetten, die überschüssiges Wasser ableiten. Im kleineren Maßstab sind das „beispielsweise Retentionsmulden auf einem Spielplatz", sagt Michler. Kuhlen, die bei Starkregen zu Teichen werden. „Ich darf mich natürlich nicht drüber aufregen, dass mein Kind dann da nicht spielen kann." Was gleich ein ‚Problem' zeigt: Maßnahmen für den Klimawandel haben politische Folgen. Sie schränken gewohnte Nutzungen ein. Und das fordert Zugeständnisse, weiß die Stadtbaumeisterin. „Aber man kann nicht einfach wegsehen und sagen ‚mir egal'". Weshalb die Stadt Landsberg schon einen ersten Schritt zur Schwammstadt unternommen und im Haushalt Mittel für ein Starkregengutachten eingestellt hat.

Andere Möglichkeiten in der Klimaanpassung sieht Michler durch mehr Aufforstung auf Offenlandflächen, „beispielsweise entlang der Lechterrassen. Wobei man da wieder den Naturschutz beachten muss." Begrünungen sieht Michler auch in Industriegebieten, wenn Ausgleichsflächen eben nicht ausgelagert, sondern vor Ort umgesetzt werden. „Das könnte ja für die Firmen ein Aushängeschild werden." Bei den geplanten Erweiterungen im Gewerbepark Lechrain sehe sie diese Bereitschaft bereits.

Innerhalb der Stadt könnte der Parkplatz Waitzinger Wiese übergrünt, also mit Bäumen bepflanzt werden. „Wir müssen die Natur in die Stadt bringen, müssen mit der Begrünung auch an die Fassaden und auf die Dächer." In der Altstadt steht da der Denkmalschutz als Einschränkung. Oder auch die Altstadtsatzung. „Aber die müssen wir sicherlich anpassen, auch was die Energieversorgung angeht", ist die Stadtbaumeisterin überzeugt.

Ein kleiner Start wäre für Michler eine Reduzierung der Schottergärten - nicht über ein Verbot: „Es funktioniert sicher besser, wenn man Möglichkeiten zur Umgestaltung anbietet." Zum Beispiel dem ‚Schottergärtner' einen Baumsetzling zu finanzieren. „Urban Gardening" sieht Michler bereits jetzt als möglich. Wenn jemand privat die Initiative ergreife und man einen geeigneten Ort finde, könnte die Stadt eventuell durch Dienstleistungen - zum Beispiel das Anlegen eines Hochbeetes - unterstützen. Generell stehe als Utopie die Lebensmittelproduktion vor Ort im Raum, sagt Michler. Zum Beispiel im Jesuitengarten, entlang der Stadtmauer oder auch auf dem Schlossberg.

Utopisch mobil

„Krasse Utopien" gibt es für die Stadtbaumeisterin in Verkehrskonzepten. Sie erzählt vom „Manifest der freien Straße" der Initiative „Straße befreien". Deren Grundsatz: Stadtraum als Parkplatz ist Unsinn, weshalb die Autos aus der Stadt raus müssen. In einem Mittelzentrum wie Landsberg sei das viel weiter weg als in Großstädten wie Berlin - mangels fehlendem ÖPNV oder Carsharing-Angeboten. Dennoch gelte es, den Verkehr zu bündeln und den innerstädtischen ÖPNV zu verändern: beispielsweise mit On-Demand-Kleinbussen, die individuelle Bedarfe teilweise abdecken. Ein sozialer Faktor, denn mit weniger Autos verschwinde auch ein Teil der gewohnten Flexibilität. Und dafür müsse es zumindest ansatzweise Ersatz geben, sagt Michler. „Ein Konzept muss den Leuten Spaß machen, sonst machen sie nicht mit."

Erste Schritte zu weniger Autoverkehr seien jetzt schon machbar: Fußwege interessant gestalten, mit Bänken, Aussichtspunkten, Informationen zur Umgebung etc. Damit man kleine Distanzen gerne per Pedes zurücklegt. Wie heftig der Widerstand schon bei so kleinen Maßnahmen ist, weiß Michler von der „pinken Linie", dem Wegweiser Waitzinger Wiese/Innenstadt. „Die Linie auf der Straße wurde damals stark kritisiert." Heute ist die Farbe kaum mehr sichtbar.

Ein nur halb-utopischer Plan ist die „Stadt am Berg". Das Konzept soll die zwei Ebenen Landsbergs mobilitätstauglich machen, beispielsweise durch einen Schrägaufzug. Aber auch durch griffigere Oberflächenbeläge, mehr Sitzgelegenheiten, Geländer. Das „Stadt am Berg"-Konzept werde die Stadt bei der IAA in München vorstellen, sagt Michler.

Bleibt noch das Thema Wohnen. Neben Genossenschaftsmodellen und Mehrgenerationenwohnungen ist für Michler eines essenziell: „Wir müssen Arbeiten und Wohnen stärker kombinieren." Und den individuellen Wohnraum reduzieren - durch Co-Living, eine Art ausgeweitetes WG-Prinzip mit großen Gemeinschaftsräumen in einer Wohneinheit, dafür nur kleinen Privaträumen. Auch ein Konzept, das eine enorme Umstellung der Gewohnheiten fordert. Weshalb für Michler ein weiterer Aspekt wichtig ist: die stärkere gesellschaftliche Teilhabe. „Die Bewohner wissen am besten, was für ihre Stadt wichtig ist." Zudem stärke es die Verbindung der Bürger zur Stadt. Und letztendlich seien so große Veränderungen nur miteinander möglich.

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