Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Kultur-Paradies am Lech: Landsberger Lechatelier ist eröffnet

Das ehemalige Atelier von Fritz Paulus in Landsberg wird wieder lebendig: "Kunst hält Wache" hat das Gelände neu gestaltet.

Landsberg - Was für ein Vorher-Nachher-Effekt: Aus dem Paulus-Atelier-Grundstück mit Häuschen am Lech ist eine Oase entstanden. Für Kunst. Für Kultur. Für Menschen jeden Alters. Ein Freiraum, Co-Working-Space, schlichtweg: ein Paradies. Der Verein „Kunst hält Wache" hat die Türen des Landsberger Lechateliers geöffnet.


Ein bisschen Wacken-Schlamm säumt am Freitagabend den Eingang zum ehemaligen Atelier von Fritz Paulus hinter der Kläranlage. Dahinter ist alles wie frisch gewaschen: Was über 100 Personen innerhalb der letzten Wochen ambitioniert, unbezahlt, mit Liebe zum Detail und vor allem: gemeinsam geleistet haben, weckt Glücksgefühle. Oder wie eine Besucherin sagt: „Das ist ein Traum."

Am Eingang zwischen Obstbäumen grüßen Gemälde von Paulus - unter anderem sein Porträt. Dahinter schreitet eine Josef-Lang-Figur über das Grün - vielleicht in Richtung Halfpipe, die Irie-Corner-Mann Stefan Jahns mit dem Skaterverein Concrete LLocals aufgebaut hat und auf der bereits junge Skater rollen. „So was hab ich mir immer gewünscht", sagt Jahns mit breitem Grinsen. „Es ist so schön, alle glücklich zu sehen: Musiker, Künstler, Skater und Gäste." Dahinter ragt gusseisern eine Märchenschlosstür aus dem Nichts, öffnet sich zur Bühne, die drei Tage später zum Zentrum des Elektromusik-Kunst-Licht-Event „Apogeo Blütezeit" des Landsberger Kollektivs wird.

Das Paulus-Atelier ist renoviert, in den spiegelnden Toiletten glänzen Agaven im Goldtopf, im Freien tragen Bäume Urinale, durch Abwasserrohre verbunden. Kunst oder Gebrauchsgegenstand? Vielleicht beides. Der von Timur Dizdar manipulierte Brunnen spuckt schwarzes Wasser im Schwarzlicht, im „Melderaum" des Künstlers Janosch Fischer tönt Sprache mit Aussicht, im Rückanbau Naturfotografien von Harry Sternberg samt rotem Teppich. Im Busch-Gelände neben dem Atelier öffnet sich der „Magical Forest" des Künstlerduos OpenArts, ein Lichtwald voller Leuchtobjekte und Podeste, in dem Fabian Hussels Bilder und Graffiti von Crowone auf Beobachter warten. Für ihre Kunst haben OpenArtsler Max Lang und Philipp Ziegler alte Terrassenbretter und anderen Sperrmüll wiederverwertet - und massenhaft Glasbausteine über Kleinanzeigen gekauft. Geholfen haben „rund 80 Leute", sagt Lang, auch Alex Kuhn von „Blütezeit", der nebenher noch die Landsberger Sportgaststätte renoviert.

Jeder Winkel strotzt vor Kreativität, Spielfreude, Engagement. Das Prinzip, das der „Kunst hält Wache"-Vorsitzende Hartmann für die Gelände-Transformation gewählt hat: Türen auf. Jeden Donnerstagabend konnten Interessierte ihre Ideen vorstellen - und mit der Umsetzung starten. „Am Anfang waren wir zu fünft", erzählt Hartmann. „Am Ende weit über 100 Leute." Was zeige, wie groß der Bedarf nach einem Ort ist, an dem Kultur jeglicher Art für jedes Alter Platz findet. Ein Ort, der Raum zum Ausprobieren lässt.

Schirmherrin Gabriele Triebel, die die Gäste mit Hartmann und dem Kunsthistoriker Hartfried Neunzert auf dem neuen Balkon begrüßt, gibt zu, dass sich „das Establishment, also wir, uns manchmal schwertun mit der Unterstützung der Subkultur" - sich aber gerne mit dem Endprodukt schmücke. „Aber wir müssen auch die Möglichkeiten dafür schaffen." Neunzert sieht im Lechatelier „die Kunstinsel von Fritz Paulus zu neuem Leben erweckt". Aus einer Wüste sei ein „lebhaftes und zukunftsträchtiges Gelände" geworden.

Zukunft offen

Wobei die Zukunft des Lechateliers ungewiss ist: Bisher hat die Stadt die Veranstaltungen des ersten Monats genehmigt (mehr dazu unter www.kunst-haelt-wache.de). Das Problem: Das Grundstück liegt im Außenbereich, Bebauungsplan Fehlanzeige. „Der Ort ist ideal, zentral, aber weit genug von möglichen Anwohnern entfernt", sagt Landsbergs zweiter Bürgermeister Moritz Hartmann. Das Ziel der Stadtverwaltung müsse jetzt sein, „eine Form für die dauerhafte Nutzung zu finden" - auch für das Gebäude. „Das wäre schade, wenn das aufhören müsste", sagen Lang und Kuhn. Man sehe doch, wie groß das Interesse sei. „Was soll man mit dem Gelände sonst machen?", fragt Kuhn. „Wir haben ein Konzept, das funktioniert. Ideen hatten wir schon immer. Jetzt haben wir auch einen Ort dafür."

Am Eröffnungsabend strahlt Hartmann vor Glück. „So viele haben ihren Urlaub abgesagt und geholfen. Was die über 100 Leute hier alles geschaffen haben, ist absoluter Wahnsinn." Die „Alte Wache" im Frauenwald bleibe essenziell als Subkulturstätte, biete das Lechatelier zwar Platz, aber im Gegensatz zur Wache wenig Innenraum. Da der Zaun bei der Alten Wache inzwischen abgebaut ist, verfalle die indessen rapide. Für die Zukunft des Lechateliers wünscht sich Hartmann Rechtssicherheit. „Wir müssen hier noch einiges investieren." Geld für ein neues Dach zum Beispiel. Aber auch viel Engagement. Das verdient Wertschätzung. Auch durch die Stadt.

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