Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Ausstellung im Uttinger Refugium „Generation Transmission Pictured"

Utting - Tradition mal anders: Welche Ideologien, Verhaltensweisen, Denkmuster haben wir von unseren Vorfahren übernommen? Und was geben wir weiter - meist unbewusst? Ein Thema, das die drei Künstlerinnen Nana Dix, Anna Frers und Uschi Siebauer in der Ausstellung „Generation Transmission Pictured" bearbeiten, die Harry Sternberg ins Uttinger Refugium geholt hat - zu sehen noch bis zum 16. Juli.


Es ist eine besondere Stimmung, die die Werke der Künstlerinnen dem Raum am Bahnhof geben. Wirkt er an sich durch Lichteinfall und Struktur sakral, verursachen die Arbeiten aller drei Künstlerinnen Unwohlsein, Beklemmung. Einen bunten Bildhintergrund voller Blüten, ähnlich der Glanzbilder früherer Poesiealben, zerbricht ein Mann in Uniform, schwarz-weiß, stechender Blick unterm Adler auf dem Hakenkreuz. Andere Arbeiten Frers funktionieren ähnlich: Die „Idylle" der Nachkriegsjahre, „gestört" durch Überblendungen oder Ausschnitte von Kriegserinnerungen - meist Menschen. Frers nennt sie „Kellergeister".

Uschi Siebauers „Remix 1900" zeigt ‚Prismen-Fotoarbeiten', die auf den ersten Blick ‚hübsch' wirken, ornamental, symmetrisch - verursachen aber bei genauer Betrachtung Unbehagen: Menschen, gespiegelt und vervielfältigt, die ihre Köpfe verlieren, zu Monstern mit vier Armen und Beinen mutieren, rechtwinklig ausgestellten Doppelkörpern. Frers hat Fotos ihrer Vorfahren digital bearbeitet, um ihre Ahnen ‚aufzuspüren' - auch wenn sie „schwer zu fassen" bleiben. Bei der Vernissage seien viele Verwandte von Siebauer da gewesen, erzählt Nana Dix, Enkelin des von den Nationalsozialisten verfolgten Künstlers Otto Dix. „Deren Reaktion, das war ungemein spannend." Dix selbst zeigt ihren „Roten Faden" in Collagen, übermalten Fotos, mit Schwerpunkt auf ihrer Erfahrung im Kinderverschickungsheim: schwarze Pädagogik - die in den 70ern und teilweise noch heute erkennbar ist -, Zwangsmedikation. „Und ja keine Gefühle zeigen."

Dix, in ihrer Kindheit oft in Dießen, „zum Baden oder in der Schweizer-Zinngießerei", wurde 1969 in ein Heim im Schwarzwald verschickt, erzählt sie. „Dort sollten wir Kinder aufgepäppelt werden." Sie erinnere noch die Reihenuntersuchung in der Schule, bei der sie als „nicht normal aussortiert" wurde. „Ich hab an diese drei Monate nur scheußliche Erinnerungen." An den Ort im Schwarzwald, den sie seit damals nicht mehr gesehen hat, denke sie nur ungern. „Aber eigentlich will ich trotzdem nochmal hinfahren."

Auch sie habe ihre Erfahrungen unbewusst an ihre Kinder weitergegeben. „Aber später haben wir darüber gesprochen", erzählt sie. „Insofern gibt es in unserer Generation vielleicht auch einen ‚Stopp' der transpersonalen Weitergabe." Um auf die Notwendigkeit dieses ‚Stopps' hinzuweisen - und auf das deshalb wichtige ‚Erzählen' -, wollen die Künstlerinnen aus der Kriegsenkelgeneration (alle in den 60ern und 70ern geboren) „ihre Geschichte in die Öffentlichkeit tragen", sagt Dix. Denn „alles wird weitergegeben, auch Traumata. Dessen muss man sich bewusst werden." Oder anders formuliert: „Ihre Geschichte ist deine Geschichte ist unsere Geschichte."

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