Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Artikel

Landestheater Schwaben mit Goethes „Werther" in Landsberg

Landsberg - Werther leidet. Ohne Maß, ohne Grenze, überbordend. Mit ein Grund für das Memminger Theater, den Protagonisten gleich dreifach auf der Bühne auftreten zu lassen. Ein „Trick", der zu einem ungemein intensiven „Werther" führt. Mit der Spielzeit-Reihe „Transit" will das Landestheater die Bedeutung von Klassikern im Heute prüfen. Weshalb vielleicht manch Zuschauer einen konkreten Bezug zum Jetzt erwartet hat. Den gibt es so nicht. Vielmehr beweist sich Werthers Zeitlosigkeit: Der Verstand versinkt, „wenn Leidenschaft wütet".


„Die Leiden des jungen Werther" - er verzehrt sich nach Lotte, die ist aber mit Albert verbandelt - sind für eine Person zu viel. Deshalb schlüpfen alle drei Schauspieler - Laura Roberta Kuhr, Tobias Loth und Flurina Schlegel - in dessen Rolle, wobei Loth noch Lottes Mann Albert spielt, Schlegel in die Rolle der Lotte schlüpft. Und weil die Leiden des jungen Werther auch manchmal nicht mehr in Worten fassbar sind, drücken die drei das Unsagbare auch wortlos in Grimassen aus. Sprechen gleiche Texte im Kanon versetzt. Oder auch unterschiedliche Texte zeitgleich. Der Wortinhalt überschlägt sich und wird beim Zusehen zu einem Wust an Impression - was Fassung und Inszenierung von Magdalena Schönfeld ganz bewusst beabsichtigen.

Was nicht bedeutet, dass der Text untergeht: Er ist vielmehr das Zentrum der sonst kargen Inszenierung. Das Bühnenbild (Dirk Seesemann): eine am Riesenhaken aufgehängte Klimakiste, die das Gestern ‚frischhalten' soll, frei von fremden Einflüssen. Und die sich jetzt auf der Bühne fürs Heute öffnet. Die Kostüme (Christin Kriener) sind schlichte schwarze Hosen und unterschiedliche, einfarbige Hemden. Lottes Accessoire ist die übergroße Schleife (natürlich in Pink), Albert steigt in den Gehrock. Lediglich zwei ‚romantische' Szenen unterbrechen das strikte Texttheater: Klaviermusik, rosa Licht und Nebel hüllen Lotte und Werher beim Tanz ein. Und Lottes Unbekümmertheit - sie hat Werher ja den Ausweg ‚Freundschaft' angeboten - spiegelt sich im Seifenblasenglanz.

Werther erleben

Dass die Memminger Inszenierung dennoch so eindrücklich wird, liegt, neben Dreifachbesetzung und Text-Spiel, an der Dringlichkeit, die das Ensemble transportiert. Ungemein textsicher, in hohem Tempo sprechend, mittendrin sind sie. Und machen so die blumigen Sturm-und-Drang-Formulierungen Goethes zu einem für das Publikum erfahrbaren Gefühl. Da wird sogar Werthers sonnenaufgangsbeschienene Zuckererbsen-Ernte im Wirtsgarten aus der Kitschecke gelockt.

Am Ende gibt es für Werther nur einen Ausweg: „Eins von uns dreien muss weg". Und erschießt sich. Seine ihn ganz ausfüllende, aber unerfüllte Leidenschaft ist zur Depression geworden. Und die führt zum Tod - damals genauso wie heute.

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