Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Ehrenamt trägt - auch das Theotinum-Hospiz Greifenberg

Greifenberg Sterben müssen wir alle. Aber niemand will das in der Klinik. Hospize sind eine Alternative. Aber sie sind rar: In Deutschland gibt es nur 20. Das Theotinum Hospiz in Greifenberg bietet einen Ausweg: eine barrierefreie Wohnung und Mitarbeitende, die Angehörigen und Sterbenden beistehen. Aber es ist kein normales Hospiz: Es öffnet seine Türen auch für Menschen mitten im Leben.


in hellgelb gestrichenes Haus, braune Fensterläden, im Vorgarten blühen schon die Winterlinge. Im Hausflur flattern Schmetterlinge auf der Wand, „Herzlich willkommen" steht da. Kurz dahinter ist der Eingang zur Wohnung, die sich für Sterbende öffnet. Und für die, die wieder ins Leben zurückfinden wollen. „Es ist ein alternatives Kinder- und Erwachsenen-Hospiz", erklärt Mitgründerin und Koordinatorin des ambulanten Kinderhospizdienstes Dießen Irmgard Schleicher. Willkommen sind hier auch pflegende Angehörige, die eine Pause benötigen. Oder Menschen, die trauern, Menschen in einer Krise. „Wir wollen nicht nur ein Ort für die Sterbenden sein, sondern auch Angehörige wieder aufbauen." Denn ins Hospiz nach Greifenberg kommt der pflegende Angehörige immer mit. Und gerne auch die Familie. Mit den Angehörigen machen die Hospizbegleiter zum Beispiel Ausflüge, während der zu Pflegende in Greifenberg bleiben kann. Oder sie bieten Gespräche.

Dennoch, eine Pflegeeinrichtung ist das Hospiz nicht: „Wir haben zwar das Wissen zu beraten. Aber Vollzeitpflege können wir hier nicht bieten", sagt Schleicher. Die ehrenamtlichen Hospizbegleiter dürfen keine Pflege leisten. Deshalb ist auch ein Aufenthalt im Greifenberger Hospiz nicht mit der Kasse abrechenbar: Alles läuft auf Spendenbasis. Vereine, die helfen, Schüler, die Basare veranstalten und den Erlös dem Hospiz geben. Regelmäßiger Spender ist Schauspieler Heino Ferch, der am Ammersee lebt. Auch ein Taxiunternehmen vor Ort hilft und transportiert die Bewohner des Hauses gratis.

Durch das Spendenkonzept kann das Kinderhospiz auch Angehörigen Erholung bieten, die sich einen ‚Urlaub von der Pflege' außerhalb der von der Kasse bezahlten ‚Verhinderungspflege' - maximal sechs Wochen im Jahr - nicht leisten können. Es sei wie eine Art „Feriendomizil", sagt Schleicher: „Wir können entlasten und die Verantwortung übernehmen, den Angehörigen und den Kranken Sorgen abnehmen. Und auch einen Teil der Angst." Zum Beispiel bei der Tochter einer Sterbenden: Als sie mit ihrer Mutter in die Wohnung einzog, erzählt sie, da sei alle Last von ihr abgefallen.

Viele der Hospizmitarbeitenden kommen aus dem Gesundheitsbereich. Und alle Trauerbegleiter haben eine Ausbildung durch Fachkräfte im Trägerverein, dem Theotinum Kinderhospiz Dießen, und dem Verein HosDiAm Dießen erhalten: 100 Stunden Palliativausbildung sind für die Mitarbeit in einem Erwachsenenhospiz nötig, dazu 40 Stunden Praktikum. Und wer sich nach zwei Jahren Erwachsenenhospiz bewährt, muss nochmals 100 Stunden Ausbildung plus 60 Stunden Praktikum absolvieren, um als Kinderhospizbegleiter in Greifenberg zu helfen. Falls ein Pflegedienst notwendig wird, organisieren den Schleicher und ihr Team: „Wir holen alles rein, was sich die Leute wünschen." Zum Beispiel auch Therapiehunde, die Anke Peters ausbildet.

Ob das Konzept Greifenberg auf Dauer funktioniert, wissen Schleicher und ihr Team noch nicht. Eröffnet wurde das Hospiz erst im April letzten Jahres, „die ersten Gäste kamen im Juli", erzählt Schleicher. Bisher geht es auf. Und die Besucher sind glücklich über die Möglichkeit, hierher zu kommen. Dabei dürfen in Greifenberg -anders als bei ‚normalen' Hospizen - auch Personen mit dem von ihnen gepflegten Angehörigen in die Wohnung, wenn der erwachsene Kranke noch nicht im Sterben liegt.

Eine Sterbebegleitung bei Kindern gehe hingegen teilweise auch über Jahre hinweg, erzählt Schleicher. Dass die Gäste nicht ‚erst zum Sterben' kommen, sei ihnen wichtig: „Das stärkt ja auch das Vertrauen zu uns."

Die Idee zum Hospiz schwebte Schleicher schon lange im Kopf: „Ich habe die Not der Angehörigen gesehen", sagt die lange Zeit in der Pflege Arbeitende und spätere Seniorenbeauftragte. Zusammen mit dem HosDiAm-Verein gingen sie auf die Suche nach einem Gebäude. Eigentlich einem größeren, als es jetzt geworden ist. Denn als die VR-Bank, auch Nachbar des Hospizes, dem Verein die Wohnung zur Miete anbot, wollten die Initiatoren die Räume auch erst nur für die Trauergruppen nutzen. Das geplante Hospiz hingegen sollte mehr Platz bieten.„Aber inzwischen sehen wir diese kleinere Lösung als ein Geschenk", freut sich Schleicher. „Das hier ist individuell. Und auch für uns gut als Start in diesem Bereich."

Den See vor Augen

‚Das hier' ist eine ebenerdige Wohnung, in der bis zu acht Personen übernachten können, mit Garten und einer großen Terrasse, ruhig gelegen. Ein Kinder- oder Jugendzimmer, dazu Wohnzimmer, Bad und Extra-Toilette und Küche. Und natürlich auch ein Pflege- und Sterbezimmer. Die Ausstattung ist auch hier liebevoll ausgewählt, ein mit blauen Ornamenten bemalter Schrank für alles, was man in der Pflege braucht, ein riesiges Foto vom Ammerseeufer in Stegen, das Fenster mit Blick auf den Garten.

Wenn Angehörige von Pflegenden oder auch Menschen in einer Krise ins Hospiz möchten, erfolgt zuerst ein Aufnahmegespräch: „Wir fragen da auch das Krankheitsbild ab und prüfen, ob wir das leisten können, ob wir den Kinderpflegedienst dazu holen, wie wir den Transport machen", erklärt Schleicher. Der Pflegedienst für Erwachsene ist im Nachbarhaus, bei HosDiAm. Die Aufnahme könne dann auch mal schnell gehen: „Eine Familie ist schon zwei Stunden nach dem Aufnahmegespräch eingezogen."

Ins die Wohnung kann immer nur eine Familie, so wie vor Kurzem: „Da war eine Frau mit Kindern, Enkeln und auch Urenkeln hier." Die Frau sei hier gestorben, in Anwesenheit ihrer Familie. Und in einem Umfeld, das sie wie ein Zuhause empfunden habe.

Mit dem Kind im Hospiz

Was ein Hospiz für eine Familie mit einem Kind mit lebensverkürzender Diagnose leisten kann, weiß Stefanie Burkhart, die auch den „Elternkreis behinderter Kinder" in Landsberg gegründet hat (der KREISBOTE berichtete). Sie und ihre Familie waren mit Sohn Raphael in Bad Grönenbach, „zehn Tage Urlaub", erzählt Burghart und lacht. „Wir planen schon unseren nächsten Aufenthalt ein."

Das Kinderhospiz St. Nikolaus ist ein offizielles Hospiz, mit der Kasse abrechenbar. Es gibt einen Pflegedienst rund um die Uhr, der den Eltern die gesamte Pflege abnimmt. „Trotzdem habe ich immer bei Raphael geschlafen", erzählt Burghart. Ihr Sohn habe im Erdgeschoss ein Zimmer gehabt, der Rest der Familie war im Obergeschoss untergebracht. Bei Ausflügen war Raphael oft dabei, sie hatten aber auch die Möglichkeit, ihn im Hospiz zu lassen, wenn es zu kompliziert war, Raphael, der im Rollstuhl sitzt, mitzunehmen - „und das ohne schlechtes Gewissen."

Die Stimmung im Hospiz? „Lustig", sagt Burghart. Trotz allem sei es kein Ort der Trauer, „eher exakt das Gegenteil: ein ungemein lebendiger Ort. Es hat uns sehr viel gegeben."

Es gebe einen Verabschiedungsraum, den habe sie sich schon angesehen. Und Rituale. So erhalte jedes Kind eine Fahne, pro Besuch im Hospiz komme eine Perle auf der Fahne dazu. „Und wenn das Kind stirbt, wird die Fahne anschließend in den Garten gestellt, zu den anderen." Der Anblick der Fahnen habe sie schon auch traurig gemacht. „Aber ich habe auch Ruhe und Trost empfunden. Freud und Leid liegen hier sehr eng beieinander."

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