Landkreis - Von A nach B im Schildumdreh'n. Der Slogan der Mitfahrerbank-Initiative Mobi-LL ist griffig. Und zeigt, wie's geht: Schild aufklappen, warten, fahren, ankommen. Vor über einem Jahr startete die erste Bank in Schondorf. Und inzwischen schießen die Sitzmöbel wie Pilze aus dem Boden. Allein in Landsberg mit Stadtteilen stehen demnächst sieben neue. Doch funktioniert es eigentlich? Wenn ja, wie viele Menschen nutzen die Mitfahrerbank? Zahlen dazu sucht man lange, denn Erhebungen gibt es im Landkreis noch keine. Dann eben ein Selbstversuch. Der natürlich in keiner Weise repräsentativ ist. Zumindest ist das zu hoffen.
12:39 Uhr. Die Sonne brennt. Ich habe zwei neuere Bank-Kandidaten ausgesucht: Startort soll Dießen sein. Die drei Bänke stehen in der Weilheimer Straße für den Weg nach Süden, in der Landsberger Straße für die Fahrt in die Kreisstadt und in der Johannisstraße, will man entlang des Ammerseeufers nach Norden gondeln. Ich will nach Landsberg. Damit das nicht ganz so einfach ist - denke ich mir da noch -, plane ich eine Stippvisite an der Schondorfer Uferpromenade ein.
Das Problem: Wo genau steht welche Bank? Eine Übersicht, also eine Art Fahrplan, gibt es bisher nicht. Auf der Webseite von Mobi-LL sind zwar die Bänke verzeichnet, aber eben nicht, wo sie genau stehen, geschweige denn die gewünschten Zielorte, die von der jeweiligen Bank aus per Schild verkündbar sind. Nicht alle Bänke führen nach Schondorf. Zudem sind nicht alle der auf der Website angezeigten Bänke real. Einige farblich blasser eingezeichnete zeigen die geplanten. Aber auch der hübsche Flügelkreis um Landsberg, in kräftigen Farben als sieben realisierte Bänke zu lesen, ist Illusion. Von denen steht bisher keine. „Lieferengpässe", sagt die Verantwortliche bei Mobi-LL, Sabine Pittroff. Die Bänke sind begehrt, die Produktion hinkt hinterher. Inzwischen haben die Bänke Landsberg erreicht, teilt die Stadtverwaltung mit. Man werde sie demnächst aufstellen.
Durch Recherche im Netz erfahre ich, dass die Bank in Dießen mit Klappschild Schondorf in der Johannis-/Ecke Tiefenbachstraße steht. Streng nach Anweisung klappe ich das Schondorf-Schild aus, setze mich, warte. Ich gebe mir eine Stunde. Wasser habe ich dabei, ein dickes Buch auch. Mit der Zeit wird es ein bisschen heiß. Die Bank steht in der prallen Sonne. Zahlreiche Autos fahren vorbei, die meisten mit Kennzeichen LL, in den meisten sitzt nur der Fahrer. Ab und zu regt sich Hoffnung: Ein Auto blinkt, wird langsamer, biegt ein - und fährt in die Tiefenbachstraßer weiter.
Nach 20 Minuten steigt der Bewohner eines Hauses direkt gegenüber ein. Grüßt und fährt los Richtung Schondorf. Nun ja, wird er wohl nur nach Utting fahren. Oder so. Das Gleiche passiert fünf Minuten später. Vielleicht haben es die Leute generell einfach zu eilig, um extra anzuhalten, denke ich. In dem Moment stoppt ein Autofahrer. Steigt aus, grüßt nett - und wirft einen Brief in den Briefkasten neben der Bank. Danach steigt er, wieder lächelnd, ein und fährt weiter Richtung Schondorf. Nach ihm kommen noch drei weitere Autofahrer, die den Drive-in-Briefkasten ansteuern und mich sitzenlassen. Mein linker Arm ist inzwischen puterrot.
13:30 Uhr. Kurz herrscht absolute Stille. Nur Vogelgezwitscher. Schön. Zehn Minuten später schminke ich mir die See- promenade ab. Dann eben direkt nach Landsberg. Die entsprechende Bank steht in der Landsberger Straße, Höhe Marienmünster. Zumindest sollte sie da stehen. Von der Fahrbahn aus zu sehen ist nur der Pfosten mit den Klappschildern. Die Bank - keine spezielle, sondern eine ganz normale - steht fünf Meter weiter rechts um die Ecke in der Buzallee - von den Autofahrern Richtung Landsberg hundertprozentig nicht einzusehen. Weder, ob jemand dasitzt, noch wenn, wer.
Vielleicht mag man ja nicht jeden mitnehmen. Jemanden, der bedrohlich aussieht, zum Beispiel. Oder auch jemanden, der offensichtlich betrunken ist. Ich bin keines von beiden, nehme ich an. Eine halbe Stunde stelle ich mich direkt an den Pfosten mit ausgeklapptem Landsberg-Schild in die Sonne. Danach warte ich nochmals eine halbe Stunde im Schatten auf dem Bürgersteig. Aber keine Chance. Niemand will mich mitnehmen. Genervt und leicht beleidigt - denn seien wir ehrlich, ich dachte, mich nimmt doch sofort jemand mit - rufe ich meinen Mann an. Er soll mich holen. Danach kaufe ich mir einen Coffee to Go mit Plastikdeckel - meine CO2-Bilanz ist heute ja sowieso schon im Eimer.
Das Prinzip Mitfahrerbank ist gut: für die Umwelt und für Menschen, die kein Auto haben. Natürlich gehört ein gewisses Maß an Vertrauen dazu: Nicht nur der Fahrer kennt seinen Gast nicht, auch der Gast den Fahrer nicht. Dem Gast rät Mobi-LL, ein Foto des Kennzeichens per Handy an einen Bekannten zu schicken. Der Fahrer würde wahrscheinlich eher schräg angeschaut, wenn er ein Bild des Konterfeis seines unbekannten Mitfahrers machen würde. Dass Eltern ihren Kindern nicht erlauben, die Bänke zu nutzen, ist auch nachvollziehbar. Kennt man doch die Ermahnung der eigenen Eltern, ja nicht zu trampen.
An und für sich ist die Mitfahrerbank eine gute Idee, die da aus der Pfalz in die ganze Republik schwappt. Eine exakte Karte mit den Bank-Standorten und den jeweiligen Fahrt-Richtungen ist aber ein Muss. Und vielleicht klappt es mit der Zeit dann wirklich. Wenn sich die Menschen an die Bänke gewöhnt haben. Und bereit sind, ihr Auto mit einem Fremden zu teilen.
Susanne Greiner