Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Artikel

Faszination Umwelt: Landsberger Schüler im „Moor-Einsatz"

Landkreis - Warum ist eine gemalte Landschaft von Monet mehr wert als die reale Natur? Gefragt haben das die jungen Umweltaktivisten der „Letzten Generation", die den (verglasten) Monet mit Kartoffelbrei übergossen und sich anschließend daneben festklebten. Der Zorn der Jugendlichen ist nachvollziehbar. Obwohl es auf der Umwelt­uhr fünf vor zwölf ist - für manche schon fünf nach zwölf -, mahlen die Regierungsmühlen zu langsam. Was tun? Die Aktion „Moortastisch" des Landratsamtes zusammen mit dem LBV Landsberg nimmt Schüler mit ins Moor. Und lässt sie dort selbst Hand anlegen: für einen spür- und sichtbaren Schutz der Umwelt.

„Ihr müsst jetzt schon ein bisschen arbeiten", warnt der LBV-Moor-Experte Hans Streicher. Vor ihm liegen Arbeitshandschuhe, Sägen und große Astscheren. Mit den Sägen rücken die 22 Schülerinnen und Schüler den größeren Bäumen auf die Pelle, die Scheren sind für kleinere Gestrüppe gedacht. „Ihr könnt alles absägen, was hier so steht", sagt Streicher.

Klimaheld Moor

Wie jetzt, Pflanzen kaputtmachen für die Umwelt? Richtig. Im Breiten Moos bei Apfeldorf ist das notwendig. Bis vor zehn Jahren gab es im Bereich der 80 kleinen Parzellen, in die das Moor zum Torfstechen aufgeteilt war, noch Entwässerungsgräben - der Tod für ein Moor. Dabei ist es ein weitaus besserer CO2-Speicher als ein Wald: Bis zu fünf Tonnen kann ein intaktes Moor pro Hektar und Jahr speichern. Je trockener der Boden wird, desto besser können Pflanzen wie beispielsweise Kiefern wurzeln - und desto trockener wird der Boden. Um diesem Kreislauf etwas entgegenzusetzen, müssen die Entwässerungsgräben mittels Dämmen gestaut werden. Und Pflanzen, die hier nichts zu suchen haben, müssen raus.

Manch einer der Schüler hat nasse Socken. Aus den angemahnten Gummistiefeln sind teilweise nur modische Sneaker geworden, nichts fürs Moor. Aber egal: Alle packen mit an, Bäumchen werden abgesägt, Gebüsch durchgezwickt, eine Säge ist ziemlich schnell hinüber. Einer hohen Waldkiefer rücken drei Schüler im Kollektiv auf die Pelle: „Du musst das jetzt von der anderen Seite ansägen! Ja, genau ... er fällt!" Und zwar genau so wie geplant. Antonia packt ihn und schleppt ihn auf den Haufen, der ziemlich schnell wächst.

Natürlich gehört auch Theorie dazu: Streicher illustriert mit Schwämmen die enorme Wasserspeicherkapazität des Moores. Es gibt Zahlen und Daten, dann wieder Praxis: Die Jugendlichen müssen typische Moorpflanzen wie zum Beispiel Sonnentau, die Moos- oder die Rauschbeere (man muss sehr viel essen, damit sie ihrem Namen gerecht wird) anhand von Fotos suchen, die LBV-Umweltbildnerin Thea Wolf austeilt. Gesucht, gefunden und bewundert - zum Beispiel die knallroten Wurzeln hier, das satte Gelb daneben.

Zusammenhalt

Nach dem knapp einstündigen Arbeitseinsatz gibt's die verdiente Pause mit noch ein bisschen Theorie. Die Stimmung ist gut, auch wenn es das Wetter nicht ist. „Es macht auch Spaß, zusammen etwas zu tun", sagt ein Schüler. Teamwork ist gefragt - und sorgt für Zusammenhalt in der Klasse. „Es sollte viel mehr Aktionen wie diese geben", urteilt Geographielehrerin Birgit Forster. Als das Angebot kam, schlug sie ihrer Klasse vor: „Wir gehen ins Moor. Und alle waren sofort begeistert. Das gibt den Jugendlichen endlich auch die Möglichkeit, aktiv etwas für die Umwelt zu tun." Und so der eigenen Ohnmacht entgegenzuwirken.

Die spürt auch Louisa: „Man kann so viel tun. Aber alle sind so geizig und geldgierig, wollen ihren Luxus nicht aufgeben. Dabei brauchen wir die Natur - auch wenn sie uns nicht braucht." Der Klimawandel sei hier noch schwer greifbar, meint Gustav. „Der Handlungszwang ist noch nicht so stark. Aber das wird sich ändern." Ob er frustriert ist? Man wünsche sich schon mehr von der Politik, sagt er. „Jetzt sind die Grünen in der Regierung und wieder passiert nichts. Aber natürlich könnten wir auch selbst mehr machen." Was sie im Projekt „Moortastisch" tun. Inzwischen ist der Berg mit abgesägten Bäumen und Gestrüpp richtig hoch, das Gelände deutlich ‚flacher', weniger verwachsen. Ideale Bedingungen dafür, dass sich das Moor durchsetzt, „so, dass es hier unter den Füßen wieder richtig schön quatscht", freut sich Hans Streicher.

„Der Moorausflug mit den Elftklässlern ist einer der ersten Tests, um zu prüfen, wie das Projekt ‚Moortastisch' ankommt", erzählt Tanja Weigl vom Klimaschutzmanagement des Landrats­amtes. Auch mit einer Grundschulklasse habe es schon einen Aktionstag geben - der allerdings ohne Arbeitseinsatz. „Wenn es funktioniert, wird es ab nächstem Jahr dauerhaft angeboten."

Lehrerin Birgit Forster wird das Thema Moor in der kommenden Woche in der Schule durchnehmen, damit sich die praktischen Erfahrungen verankern können. Und die Jugendlichen? Einige von ihnen sind begeistert. Louisa ist von der kargen Landschaft fasziniert. Gerade schaut sie gebannt einer Spinne zu, die ihr über die Hand krabbelt. „Ich komm hier jetzt sicher öfter her", sagt sie.

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