Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Wo "Daniel Düsentrieb" am Weltrekord-Velomobil tüftelt

Weil - Eigentlich ist er gelernter Schreiner. Doch gearbeitet hat Daniel Fenn als Landschaftsgärtner und Busfahrer. „Als Uhrmacher war ich ziemlich gut", erzählt der 42-Jährige. Vielleicht, weil das extreme Präzisionsarbeit ist. Genau wie das Velomobilbauen. Dass Daniel darin seine Bestimmung gefunden hat, bewies seine Freundin Nici Walde erst vor Kurzem mit ihrem Weltrekord im 24-Stunden-Fahren. Denn ihr Rekord-Fahrzeug ist ein eigens für sie gebautes DF - ein Velomobil von Daniel Fenn.

Fenns Werkstatt ist auf den ersten Blick ein Chaos. Diverse Rollen mit Carbon, Kunststoffteile wie Radkästen, Schwingen, Einzelteile der Verkleidung, getestet, mit Löchern und Kratzern. Das Ventil eines Schlauchs ist zum Schutz mit einem Stabilo-­Stift umhüllt. Da arbeitet jemand mit unkonventionellen Problemlösungen. Werkzeug stapelt sich, Schrauben in diversen Pappbechern. Hier fertigt Daniel seine

Velomobile, testet Einzelteile, verändert Formen. „Ich brauche eigentlich eine Werkstatt. Das meiste ist reine Kopfarbeit. Meistens nachts, wenn ich nicht schlafen kann." Dann überlegt er Lösungen, geht Ideen nach, tüftelt windschnittigere Formen aus. Nicht umsonst ist sein Spitzname Daniel Düsentrieb.

Das Wissen im Bereich Velomobile hat Fenn sich erarbeitet. „Man muss sich ins Material reinversetzen." Eine Ausbildung zum Ingenieur oder Ähnliches? Fehlanzeige. Dass er Schreiner gelernt habe, sei am Anfang nützlich gewesen: „Holz und Carbon ähneln sich." Aber man könne den Bau von Velomobilen nicht lernen. Man müsse den Händen beibringen, was sie zu tun haben. „Ich bin froh, dass ich kein studierter Ingenieur bin. Ich gehe an die Sache weitaus unverblümter ran." Die Besten der Welt seien Autodidakten. Fanatismus gehöre auf jeden Fall dazu. Der ist bei Daniel sofort zu spüren. Zum Beispiel, wenn er Einzelteile in die Hand nimmt und man merkt, dass er über mögliche Modifikationen nachdenkt. Noch während er sich mit einem unterhält.

Unfall als Initiator

Angefangen hat Fenns Leidenschaft mit einem Motorradunfall 2004. Er wurde lebensgefährlich verletzt, „fast halbiert", sagt er. Geblieben ist ein starker Hüftschaden. Rennen auf normalen Fahrrädern konnte der leidenschaftliche Radler nicht mehr meistern. „Und dann habe ich ein Velomobil gesehen. Und dachte ‚Das will ich haben!'" Damit es möglichst schnell ging, baute Fenn das Rad aus einem Bausatz selbst zusammen. Und ja, das Fahren war trotz Hüftschaden und Leistungsminderung in einem Bein möglich. Sogar ziemlich schnell, wie ein Rennen zeigte, bei dem Fenn den 2. Platz belegte. Dass er so schnell war, läge aber eher an ihm als am Rad: „Eigentlich war das Ding eine fahrende Schrankwand." Fenns Leistung sprach sich herum. Und 2009 bat ihn ein Hersteller, mit einem „Milan" an der Europameisterschaft teilzunehmen. Mit Erfolg: Fenn holte sich den Titel. 2013 kam dann noch der Weltmeistertitel dazu.

Fenn optimierte sein Fahrzeug. Radhäuser verschließen, ein Schild für bessere Windschnittigkeit, das Heck verbessern. Schließlich bat ihn ein Hersteller, ein neues Velomobil zu konstruieren. Als Ziel setzte sich Daniel ein Höchstgewicht von 23 Kilo. Und baute in eineinhalb Monaten das futuristische Evo-R, „sicher das kultigste Fahrzeug, das es da gab". Ein Fahrzeug für Rennen und Rekorde, das aber auch im Alltag funktioniert. Gewicht: 21 Kilo.

Damals arbeitete Fenn noch mit Carbonsandwich und Wabentechnik. Wände, die vier Millimeter dick waren. Heute ist es weniger als ein Millimeter, keine Waben, nur noch Formgebung garantiert Stabilität bei geringem Gewicht. Wie ein rohes Ei: dank seiner Form nahezu unzerdrückbar. So wiegt Nicis Weltrekord-Velomobil nur 15 Kilo. Wobei hier auch ihre geringe Körpergröße von eineinhalb Metern eine Rolle spielt. Aber Fenns neuestes Modell steht schon im Flur der Wohnung: das Alpha 7, auch für größere Radler als Nici. Es wiegt nur noch 16 Kilo. „Ich bin noch immer fanatisch am überlegen, was ich wo wegrationalisieren kann." Hier eine Kante runder, dort eckiger, alles in allem extrem windunempfindlich. Das Fahrzeug soll demnächst in Serie gehen und von einer Firma in Rumänien gebaut werden.

Frau für 24 Stunden

Nici und Daniel teilen die Leiden­schaft fürs Radeln. Am Wochenende geht es zu einem Bergrennen nach Österreich. Nici fährt früher zurück, wegen der Arbeit. 170 Kilometer, natürlich mit dem Liegerad. Die beiden lernten sich im Velomobilforum kennen. Dort suchte Daniel eine Frau, die mit seinem Fahrzeug einen Weltrekord im 24-Stunden-Fahren aufstellen könnte: „Suche Frau für 24 Stunden." Eine andere Forumteilnehmerin antwortete: „Ich wüsste da etwas passendes für 12 Stunden. Sie ist eine 1,53 Meter kleine Diva." Die beiden trafen sich. Und es klappte: Eine Woche später fuhr Nici den 12-Stunden-Weltrekord. Vor Kurzem holte sie den 24-Stunden-Weltrekord der Frauen. Und die Weltrekordzeit der Männer werden die beiden auch noch brechen. Kann eigentlich gar nicht anders sein, bei so viel Leidenschaft.


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