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Polizei als Hobby - das gibt's wirklich!

Sie tragen Uniform, Handschellen und manchmal sogar Waffe. In vier Bundesländern können Normalbürger in ihrer Freizeit auf Streife gehen. Für Volker Knoop wird damit ein Jugendtraum wahr. Kritiker fürchten Lohndumping und überforderte Hilfssheriffs.

Volker Knoop, 49, verkörpert das, was man einen Bürger in Uniform nennt. Im normalen Leben arbeitet er als Gymnasiallehrer im baden-württembergischen Freiburg. Doch sobald das Wochenende anbricht, zieht es ihn aufs Polizeirevier. Ausgestattet mit Uniform, Handschellen, Pfefferspray und Walther-P5-Dienstwaffe mutiert er zum Gesetzeshüter.

Auf seinem Polizeimotorrad schlängelt sich Knoop durch den Verkehr. An einer Kreuzung spricht er den Fahrer eines weißen Polos an, der gerade zu seinem Handy greift. "Sie telefonieren doch nicht etwa am Steuer?", fragt Knoop in scharfem Ton. Der Ertappte legt das Telefon sofort zur Seite.

Wäre der Fahrer angetrunken, müsste Knoop jetzt Verstärkung rufen. In Baden-Württemberg dürfen Freiwillige keine Blutproben anordnen oder Gegenstände beschlagnahmen. Diesmal entfällt jedoch der personelle Aufwand, Knoop belässt es bei einer Verwarnung.

Polizei als Hobby - in vier deutschen Bundesländern ist das möglich. Die freiwilligen Helfer gibt es in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Sachsen. Je nach Bundesland haben sie unterschiedliche Befugnisse. "Sie sind keine Bürgerwehr, sondern die bessere rechtsstaatliche Alternative", begründet die Bayerische Sicherheitswacht ihre Daseinsberechtigung. Rund 760 Hobbypolizisten verrichten allein in Bayern ihren Dienst, in Hessen sind es nach Auskunft des Innenministeriums fast genauso viele. Die meisten von ihnen sind mit Funkgeräten und Reizgas ausgestattet - Schusswaffen gibt es nur in Baden-Württemberg.

"Ich wollte schon immer Polizist werden"

"Ich wollte schon immer Polizist werden", schwärmt Knoop. "Eine Bewerbung kam wegen meiner Brillenstärke aber damals nicht in Frage." Über den Umweg des Ehrenamts ging es schließlich doch: "Als Student habe ich ganze Nächte auf Streife verbracht. Das war ein richtiges Abenteuer." Um rechtliche Grundlagen und den Umgang mit der Waffe zu erlernen, besuchte Knoop neun Wochen lang die Abendschule. Seither ist er offiziell im Dienst.

Das äußerliche Erscheinungsbild der Hobby-Polizisten variiert erheblich. Während die Hilfspolizisten in Hessen und Sachsen eine spezielle Dienstkleidung tragen, genügt in Bayern ein Armband mit der Aufschrift "Sicherheitswacht". In Baden-Württemberg tragen die Freiwilligen die reguläre Uniform. Einziges Unterscheidungsmerkmal: An ihren Schulterstücken prangen keine Sterne, sondern Streifen.

Nicht nur wegen der unterschiedlichen Vorschriften ist der freiwillige Polizeidienst der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) schon lange ein Dorn im Auge. "Jedes Bundesland macht etwas anderes, wir erleben einen totalen Wildwuchs", sagt Hermann Benker, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft. Polizeiarbeit sei komplex und oft auch gefährlich. "Das kann man nicht mal so nebenbei erledigen."

Rüdiger Seidenspinner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg, plädiert ebenfalls für hauptamtliche Gesetzeshüter: "Der Bürger hat ein Recht auf voll ausgebildete Beamte. Wir greifen schließlich in Grundrechte ein." Kritiker befürchten zudem, dass sich Rowdys und Wichtigtuer in die Polizei einschleichen könnten. Viel mehr als eine abgeschlossene Schulbildung und "ein guter Ruf" ist meist nicht nötig, um in die Freiwilligentruppe zu gelangen.

"Regelrecht zurückgepfiffen"

Heftig debattiert wird auch die Frage, ob die Ehrenamtlichen nur als billige Arbeitskräfte dienen, um den Stellenabbau zu kompensieren. In Sachsen verdienen sie 5,11 Euro pro Stunde, in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen rund sieben Euro. "Wirklich einsparen kann man dadurch nichts, weil auf Streife immer auch ein echter Beamter dabei sein muss", sagt Benker. Sein baden-württembergischer Kollege widerspricht: "Wir sind chronisch unterbesetzt, rund tausend Stellen fehlen", sagt Joachim Lautensack, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft: "Die Freiwilligen werden gebraucht."

In Baden-Württemberg hat die grün-rote Landesregierung nun entschieden, den seit 1963 bestehenden freiwilligen Polizeidienst auslaufen zu lassen. Wer aktiv ist, darf bleiben; neu eingestellt wird nicht mehr. Der Streifendienst ist jedoch ab sofort tabu. Zu gefährlich, entschied das Innenministerium.

Seither sind die ehrenamtlichen Helfer dazu verdonnert, den Verkehr zu regeln oder Dienstgebäude zu sichern. "Die werden regelrecht zurückgepfiffen", ärgert sich Lautensack. Die neue Regelung sei "weder Fisch noch Fleisch".

Zurück in Freiburg: Vor einer Ampel hat sich nach einem Auffahrunfall ein Stau gebildet. Die Beteiligten winken sofort, als sie Volker Knoop aus der Ferne sichten. Der freiwillige Polizist schaltet das Blaulicht ein, um die Unfallstelle abzusichern: keine große Sache, nur Blechschäden. Dann greift er zum Funkgerät. "Die Kollegen kommen gleich, um Ihren Unfall aufzunehmen", versichert er und steigt wieder aufs Motorrad. Bleiben kann er nicht, denn als Freiwilliger hat er eine andere Aufgabe: Er muss den Verkehr vor einem Fußballspiel regeln.

Steve Przybilla (Jahrgang 1985) ist freier Journalist und lebt in Freiburg im Breisgau.

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