Stephan Kroener

Freier Journalist und Historiker, Freiburg

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Selbstbedienung am Milchhäusle

Selbstbedienung am Milchhäusle
Öffentlicher Bücherschrank nimmt Gestalt an.
Lange tat sich nichts am Milchhäusle in Schallstadt. Ideen gab es viele, aber an der Umsetzung haperte es. So haben die Nachbarn der Dannergasse die Sache selbst in die Hand genommen. Seit Corona Büchereien und Buchläden hat schließen lassen, legen sie ihre gelesenen Schmöker dem nächsten Bücherwurm in die Pappkartons. Vor der schlichten Fassade des im Dornröschenschlaf verharrenden Milchhäusle stapeln sich märchenhafte Klassiker, Achtzigerjahre-Erziehungsallerlei und Weltliteratur von Böll bis Zuckmayer.
Geschmäcker sind verschieden, aber, so Bernhard Pfefferle, „Brot und Bücher wirft man nicht weg“. Der bibliophile Friseurmeister hat neben seinem Geschäft in Bad Krozingen vor zwölf Jahren den ersten öffentlichen Bücherschrank der Region aufgebaut. Dafür holte sich der gewitzte Friseur den örtlichen Lions Club mit ins Bücherboot. Im Kurpark durfte er später den bisher größten öffentlichen Bücherschrank aufbauen. „38 Regalmeter“, sagt der 67-Jährige, während er die überdachten Reihen abschreitet und hier und da ein herausgezogenes Buch einordnet. Stolz rechnet er vor, „1200 Bücher müssten hier stehen“ und die Zirkulation ist enorm. Allein letztes Jahr hat er über 1200 Kisten mit Bücherspenden erhalten, die er zusammen mit den Buchpaten des Lions Club in die Regale an neun Standorten einsortierte.
Das Prinzip ist einfach, die gespendeten Bücher, die entweder im Friseursalon von Herrn Pfefferle abgegeben oder direkt zu den Bücherschränken gebracht werden können, stehen für jeden zugänglich, in den offenen Regalen. Es herrscht Selbstbedienung. Rund um die Uhr können sich hier Leseratten tummeln, Bücher tauschen oder ausleihen. Man kann sie aber auch kaufen. Dafür steht eine Spendenbox bereit. Deren Einnahmen werden für gemeinnützige Zwecke in der Region verwendet.
Am Milchhäusle in Schallstadt befindet sich eine solche Organisation noch in weiter Ferne. Doch warum nicht von den Bad Krozingern lernen? Vielleicht gibt es ja Vereine, die ihre Kasse durch solche Spenden aufbessern wollen. Bürgermeister Sebastian Kiss zeigt sich „gesprächsbereit“ und begrüßt das Engagement der Bürger ausdrücklich, merkt aber an, „es muss jemand verantwortlich sein und das in die Hand nehmen“. Vor allem vor möglichem Vandalismus graut es Kiss: „Es ist schade, dass man zunächst immer solche negativen Seiten bedenken muss.“ Pfefferle wehrt ab: „Vandalismus kommt so gut wie nicht vor“.
Bisher gibt es in unserer Region öffentliche Bücherschränke in Bad Krozingen, Staufen, Au und Ehrenkirchen. Es scheinen immer mehr zu werden, wie das Beispiel am Milchhäusle in Schallstadt zeigt. (SKr)