Stephan Kroener

Freier Journalist und Historiker, Freiburg

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Artikel

Endlich Frieden in Kolumbien?

Wenn alles nach Plan läuft, wird heute der über 50-jährige bewaffnete Konflikt des kolumbianischen Staates mit der ältesten aktiven Guerilla der Welt, den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) feierlich zu Grabe getragen. In Cartagena de Indias an der kolumbianischen Karibikküste wird Präsident Santos mit dem Rebellenführer Timochenko nach vier Jahren intensiver Verhandlungen einen Friedensvertrag unterzeichnen, der den FARC ermöglicht ihren politischen Kampf ohne Waffen und als legale Partei fortzuführen.

Der Konflikt hat in den letzten fünf Jahrzehnten hundertausende Opfer gefordert und Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Schätzungen für die Jahre zwischen 1958 bis 2012 gehen von 218.000 Toten - davon mehr als 80% unter der Zivilbevölkerung - und mehr als sechs Millionen Binnenflüchtlingen aus. Die finanziellen und sozialen Kosten des Krieges sind unmessbar. Generationen sind traumatisiert und es wird Jahrzehnte brauchen, bis die Gräben die der Konflikt durch die Gesellschaft gezogen hat, bis die Wunden die der Kampf aufgerissen hat, geschlossen und geheit sind.

Volksabstimmung über Frieden

Nächsten Sonntag steht noch das Referendum an, das Santos als Bedingung für einen endgültigen Frieden gestellt hat. In diesem Plebiszit werden alle wahlberechtigten Bürger des Landes gefragt, ob sie für den Friedensvertrag und für einen dauerhaften Frieden mit der FARC sind. Das „Sí" dazu gilt als sicher. Auch wenn es viele Bedenken zu dem ausgehandelten Dokument gibt, ist vor allem die in den Regionen lebende Bevölkerung, die am meisten unter dem Konflikt gelitten hat, für den Frieden und extrem kriegsmüde.

Jedem ist nach über 50 Jahren klar, dass man die Guerilla zwar militärisch schwächen aber nicht besiegen kann. Die sozialen Ursachen für den Konflikt liegen tief verwurzelt in der kolumbianischen Gesellschaft, die als eine der ungleichsten und ungerechtesten in Lateinamerika gilt. In einigen Teilen des Landes ist die Kindersterblichkeit aufgrund von Mangelernährung und Deshydration so hoch wie in unterentwickelten Gegenden Afrikas. Die extrem ungerechte Landverteiltung gibt Kleinbauern keine Möglichkeit ihren eigenen Acker zu bebauen und liefert sie der Armut aus.

Aufstieg der Guerilla

Die Schubildung auf dem Land ist miserabel und der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht um den Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur in die entlegenen Gegenden gekümmert. Das praktische Nichtvorhandensein des Staates begünstigte den Aufstieg der Guerilla, die sich eben um diese Probleme kümmerte. Dabei finanzierte sie sich über den internationalen Drogenhandel, sogenannte Revolutionssteuern und andere illegale Aktivitäten.

Besonders berüchtigt sind die Entführungen von Zivilisten und das Erpressen von Lösegeld. Gerade diese Taktik verschärfte den Konflikt mit der urbanen Bevölkerung, die nach der harten Hand rief, die man in Form einer Radikalisierung und systematischen Menschenrechtsverbrechen durch alle Konfliktparteien auch bekam.

12.000 Guerilleros

Die Aufgabe dieser kriminellen Praktiken, die Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts sowie die Rückkehr in eine legale demokratische Struktur der immerhin bis zu 12.000 Guerilleros war Sinn und Zweck der Friedensverhandlungen, die seit über vier Jahren in der kubanischen Hauptstadt Havanna diskutiert wurden. Die Guerilla und die kolumbianische Armee verpflichten sich in dem ausgehandelten Dokument zu einer Aufarbeitung ihrer Taten und zu einer Entschuldigung an die Opfer des Konfikts.

Wenn Kolumbien es schafft aus dem kriegerischen Teufelskreis herauszukommen, kann man endlich die Probleme des Landes angehen, für die die Guerilla gekämpft hat und die sie dadurch nur noch verschlimmert hat. Wenn wir morgen aufwachen, werden wir kein neues Kolumbien sehen, aber wir werden ein friedlicheres entdecken, das hat der bisherige Waffenstillstand gezeigt.

Die Aufarbeitung der Taten und die Arbeit für einen dauerhaften Frieden werden aber weitergehen, denn eine Unterschrift bedeutet nicht gleich die gewünschte Umsetzung. Die internationale Gemeinschaft und die kolumbianische Öffentlichkeit sind dazu aufgerufen die Einhaltung des Friedens in Kolumbien zu gewährleisten und zu überwachen.

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