Stephan Kaufmann

Wirtschaftsjournalist, Berlin

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Nur ein Waffenstillstand

Ein zentrales Kapitel im Handelskrieg zwischen Washington und Peking bleibt offen: die Rolle der chinesischen Staatsunternehmen. Die Analyse.

Die US-Regierung hat sich mit China auf ein erstes Handelsabkommen geeinigt, das von den Finanzmärkten freudig begrüßt wurde - schließlich ist der Handelskrieg zwischen den beiden Mächten das größte Risiko für die Weltwirtschaft. Das so genannte „Phase-1-Abkommen" dürfte allerdings bloß einen Waffenstillstand herbeiführen. Denn es regelt im Wesentlichen nur den vermehrten Import Chinas von US-Agrargütern. Ein zentrales Kapitel im Handelskrieg jedoch bleibt offen und wird wohl auch nicht geschlossen werden: die Rolle der chinesischen Staatsunternehmen und ihre fortdauernde Unterstützung durch die Regierung. Hier dürfte Peking nicht nachgeben. Denn das ginge an die Substanz seines Wirtschaftsmodells.

Das chinesische Wachstumswunder der vergangenen Jahrzehnte beruhte auch darauf, dass die Politik fällige Unternehmenspleiten und damit die Entwertung von Finanz- und Sachkapital verhinderte durch immer neue Kredite und Subventionen. Zwischen 2008 und 2018 wuchsen die Schulden der chinesischen Unternehmen (ohne Finanzsektor) von knapp fünf auf über 20 Billionen Dollar. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass im Jahr 2016 etwa ein Zehntel aller Firmen „Zombies" waren, also dauerhaft Verluste machten und Kredite zu politisch verbilligten Zinsen erhielten.

Laut offiziellen Angaben Pekings arbeiteten Ende 2017 zwei Fünftel aller Staatsfirmen mit Verlust, der sich auf 200 Milliarden Dollar summierte. Doch anstatt sie untergehen zu lassen, schießen lokale und Zentralregierung immer neue Summen zu und fusionieren die Firmen zu immer größeren Einheiten zusammen: Seit 2015 wuchs die Zahl der politisch gesteuerten Zusammenschlüsse staatlicher Unternehmen von knapp 3000 auf 7200 im vergangenen Jahr.

Damit bleiben die Zombie-Firmen am Markt, produzieren, verkaufen und vermindern so die Absatzmöglichkeiten ausländischer Unternehmen. Das ist, was die US-Regierung ebenso wie die EU stört. Sie fordern eine Absenkung staatlicher Zuschüsse in China, um Raum für ihre Konzerne zu machen.

Tatsächlich aber scheint das Gegenteil einzutreten, so das Peterson Institute in Washington (PIIE): Peking pumpt immer mehr Geld in seine staatseigenen Betriebe. 2012 erhielten Chinas Privatfirmen außerhalb des Finanzsektors noch 52 Prozent aller Bankkredite und die Staatsunternehmen 32 Prozent. 2016 jedoch bekamen die Privaten nur noch elf Prozent, die Staatlichen 83 Prozent. Ab 2016 veröffentlicht China diese Zahlenreihe nicht mehr, und „es ist unklar, ob diese Unterdrückung von Daten dem Wunsch der Regierung, Informationen zu verbergen, geschuldet ist", so das PIIE.

Die US-Ökonomen versuchen daher, sich anderweitig zu behelfen. Sie berechneten das Anlagevermögen der chinesischen Staatsfirmen. Ende 2018 belief es sich auf 210 Billionen Renminbi, das entsprach 230 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2012 lag dieses Verhältnis nur bei 170 Prozent. Zwischen 2012 und 2018 sei dieses Vermögen also um mehr als 15 Prozent jährlich gestiegen, doppelt so stark wie das Wirtschaftswachstum. Im gleichen Zeitraum warf das Vermögen immer weniger Ertrag ab, so das PIIE. Das bedeutet: Aus höheren Profiten kam das Wachstum des Anlagevermögens wohl nicht. Also dürften staatliche Hilfen zum Großteil dafür verantwortlich sein.

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