Stephan Burianek

Reise, Kultur & Lifestyle | Freier Journalist, Wien

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Kolumne

Poolsitten: Posieren aus Tradition

Die Hochzeitsgesellschaft in einem ostchinesischen Nobelhotel staunte nicht schlecht. Ganz in weiß tauchte er plötzlich auf, der ungehobelte Laowei, dieser Ausländer. Einen Bademantel hatte er an, und Flipflops. Die Blicke der herausgeputzten Schar verrieten, dass dergleichen auch in China in gewissen Situationen eher unerwünscht ist. Da rettete selbst sein verschämter Gruß in der Landessprache nicht mehr viel. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen Chinesen keine Fotos machen. Zum Glück, denn der Laowei war ich.

Ich hatte auf der Suche nach dem Pool scheinbar eine falsche Abzweigung genommen. Als ich eine gefühlte Stunde später endlich ins Wasser hüpfte, da wurde plötzlich das Hotelpersonal nervös. Was war denn nun schon wieder? Pflichtbewusst wie fast immer hatte ich mich davor unter die vermeintlich obligate Dusche gestellt. Und das, obwohl auch die vom Architekten gut versteckt worden war. Daran konnte es also nicht liegen. Es dauerte eine Weile bis ich begriff, dass in China das Schwimmen ohne Haube offensichtlich verboten ist. Das Dilemma ließ sich nicht wegdiskutieren.

Der richtige Auftritt in den Poolzonen dieser Welt will gelernt sein. Ich versuche seit dem chinesischen Vorfall, die Bademantel-Flipflop-Kombination außerhalb meines Hotelzimmers generell zu vermeiden. Das klappt freilich nur, wenn in der Nähe des Pools Umkleidekabinen zur Verfügung stehen. Genau das ist zwar in China und in vielen Teilen der restlichen Welt zumeist der Fall, weniger oft hingegen in Kalifornien.

Selbst in einem der stilvollsten Hotels von Los Angeles, im Peninsula Beverly Hills, treffen im Hotellift Bademäntel auf Designeranzüge. Das allein ist noch keine Sensation, das Roof Garden Restaurant ist es hingegen schon. An dem muss man auf dem Weg zum Pool nämlich vorbei, oder besser gesagt mittendurch. Dort sitzen dann nicht nur Hotelgäste, sondern auch Personen von außerhalb. Manche führen auf der schattigen Terrasse geschäftliche Gespräche, andere halten frisch gepresste Säfte in ihren Händen und genießen die entspannte Atmosphäre. Und alle mustern – in Straßenkleidung, versteht sich – mehr oder weniger beiläufig das vorbeihuschende Frischfleisch und erfreuen sich an seiner Poolaktivität, wie in einer Art Unterhaltungsprogramm.

Der geschilderten Situation liegt kein baulicher Planungsfehler zugrunde sondern vermutlich eine lokale Tradition. In fast allen Nobelhäusern der Metropole ist die Situation ähnlich (einzige gefundene Ausnahme: Hotel Bel-Air). Menschen mit einer gewissen exhibitionistischen Ader sind in Los Angeles beim Sonnenbaden demnach eindeutig im Vorteil. Besonders frappant sind die Zustände im Mondrian Hotel. Dort muss man sogar durch die Lobby, vorbei an der Rezeption.

Ich sollte mich natürlich nicht so haben. Unanständig ist schließlich nur, was in der jeweiligen Region als unanständig gewertet wird. In Los Angeles dient die Poolzone als Bühne und das Posieren zum guten Ton. Face it, honey! Wie auch immer: Ich freue mich stets über einen separaten Poolzugang und über eine Umkleidekabine.

Für Menschen wie mich gibt es in Los Angeles eine Lösung: „Cabanas“. Im Peninsula Beverly Hills säumen ein Dutzend dieser geräumigen Zelte die beiden Längsseiten des Pools. In ihnen befinden sich neben einer Liege und einem Tischchen mit zwei Stühlen auch ein kleiner Kühlschrank und ein TV-Schirm mit DVD-Player. Sie dienen demnach nicht nur dem Kleiderwechsel. Es gibt Internet, sogar eine Klimaanlage. Und wer eine Person auf den profanen Liegen sympathisch findet, der kann sie in seine luxuriöse Hütte einladen. Time to brag, honey! Darauf habe ich umsonst gehofft. Im Peninsula kosten die Cabanas 250 US-Dollar pro Wochentag, am Wochenende sind es sogar 300 US-Dollar, vermutlich exklusive Steuern. Stil hat mitunter seinen Preis.


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