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Die Geschichte der Sextoys: Komm, lass uns spielen

Von Stein zu Silikon, vom Phallus zum Designobjekt – Sexspielzeuge sind (fast) so alt wie die Menschheit. Das Schmuddelimage war einmal, mittlerweile sind Dildos und andere Spielzeuge in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Schlüsselanhänger, Lippenstift, Fernbedienung: Sexspielzeuge erinnern inzwischen an einiges, nur nicht an Penis oder Vagina. Statt Körperteile zu imitieren, setzen die Gestalter und Gestalterinnen auf schlichtes Design. So erhielt „Cuddly Bird", der wie der beliebte „Womanizer" Frauen über die Klitoris stimuliert, vergangenes Jahr einen Red Dot Award für sein „feinsinniges" Design. „Aus dem Schmuddelding der Achtziger ist ein Lifestyleprodukt geworden", stellt Nadine Beck fest. Die Kulturwissenschaftlerin schreibt an der Universität in Marburg gerade ihre Doktorarbeit über die Nutzung und Verbreitung von Vibratoren in Deutschland. Sie konzentriert sich auf die späten sechziger Jahre, als der Massagestab auf den Markt kam. Ein Produkt, das nicht nur müden Gliedern Entspannung brachte, sondern zur sexuellen Stimulation zweckentfremdet wurde. Auf Ebay hat Beck inzwischen Dutzende Studienobjekte ersteigert, und ihr Lieblingsgerät stammt aus den Siebzigern: Verschiedene Aufsätze lassen sich montieren, darunter Hornhautraspel, Nagelfeile und Kosmetikbürste. „Auf die Klitoris gelegt, wird das rotierende Bürstchen zum Vibrator", erklärt Beck den Mehrwert.

Als Nadine Beck vor gut acht Jahren mit ihren Recherchen anfing, gab es zu diesem pikanten Thema kaum wissenschaftliche Literatur. Langsam ändert sich das. Da ist etwa Hallie Lieberman in den Vereinigten Staaten, die über die Geschichte von Sexspielzeug promovierte und daraufhin das Buch „Buzz: The Stimulating History of the Sex Toy" herausbrachte. In der Schweiz setzt sich zurzeit Sarah Scheidmantel mit dem späten 19. Jahrhundert auseinander, als der Vibrator erfunden wurde. Und die Archäologin Stefanie Kölbl, Direktorin des Urgeschichtlichen Museums in Blaubeuren, steuert ihr Wissen zur Frühzeit bei. Sie alle suchen Klarheit: „Über den Gebrauch von Sexspielzeugen gibt es nach wie vor viele Wissenslücken, Mythen und Unsicherheiten", sagt Beck. Natürlich tummeln sich auch Männer im Forschungsgebiet. Aktuell scheint das Zepter jedoch in weiblicher Hand zu liegen. Höchste Zeit, so Scheidmantel, seit Jahrhunderten wurde Geschichte von Männern geschrieben, auch beim Sex: „Der männliche Blick prägt damit die weibliche Sexualität", stellt die Forscherin fest, „und auch wie Frauen sich und ihren Körper empfinden." Indem jetzt Frauen die Sexualhistorie erforschen, erobern sie sich ein Stück Deutungshoheit zurück. (...)

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