2 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

Eine Reise zu den Sternen

Packende Stories erreichten Menschen viel besser als Fakten. Das macht sich Ari Popper zu Nutze. Wie der Zukunftsberater Unternehmen mit Science Fiction auf Veränderungen vorbereitet.


Warum wird man Zukunftsberater? Wegen Star Wars. Zumindest bei Ari Popper war es so. Als kleiner Junge schaute er in Südafrika die Kinofilme über Macht, Telekinese und Kriege im Weltall - und war begeistert. „Das war mein erstes Storytelling-Erlebnis", sagt Popper Mitte September auf der Frankfurter Messe Me Convention. Es ist der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft. Inzwischen ist Popper selbst Geschichtenerzähler. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: Mit Science Fiction bereitet er Firmen auf die Zukunft vor.


„Wir denken linear, aber leben in exponentiellen Zeiten", so Popper. Es verändere sich alles viel schneller, als wir es gewohnt seien. Mit lebendigen Geschichten ließen sich diese Veränderungen erklären. Packende Stories erreichten Menschen schließlich viel besser als Fakten, ist der Zukunftsberater überzeugt.


Also berät Poppers Firma Sci Futures Konzerne und Wirtschaftsbosse mit Geschichten von Reisen zu den Sternen, zu Robotern und Außerirdischen. Zu seinen Kunden zählten das Verteidigungsbündnis Nato, der Finanzkonzern Visa, der Schokoladenhersteller Hershey oder der Autobauer Ford, so Popper. Bei jeder Zusammenarbeit geht es dem Zukunftsberater zunächst um Vergangenheit und Gegenwart: „Wir wollen verstehen, was die Narrative der Unternehmen sind, mit denen wir arbeiten. Wie sie bislang über die Zukunft denken."


In den Büros und Konferenzräumen seiner Kunden trifft Popper oft auf Widerstand. Das ist aber nichts Ungewöhnliches. „Viele Menschen mögen Wandel nicht", sagt Popper. Der Angst vor Veränderung versucht er mit Science Fiction, mit dem Eintauchen in fantastische Geschichten zu überwinden. „Wir nutzen die Macht des Storytelling."


Das Sci-Fi-Genre nutzt Popper bewusst: Zwar diene es traditionell der Unterhaltung, „aber Sci-Fi kann uns auch zeigen, wo wir sind und wo wir sein könnten". Das Programm, mit dem er Menschen und Unternehmen auf die Zukunft vorbereiten will, nennt sich Sci-Fi-Prototyping. Dabei werden mit Hilfe von Sience Fiction mögliche Auswirkungen neuer Technologien beschrieben. Das Ziel: sich über die Zukunft klar zu werden.


Wege in diese Zukunft gibt es viele: Die Zukunftsberater von Sci Futures nutzen Comics, interaktive Web-Stories, Computersimulationen und Augmented Reality - also die computergestützte Erweiterung der Realität, etwa durch Einblendungen auf Smartphones.


Aber auch die klassische Science-Fiction-Schreibübung ist eine Methode der Zukunftsberatung. Es geht darum, Satzanfänge (Es war einmal ... Und jeden Tag ... Bis eines Tages ... Und deswegen ... Und deswegen ... Bis schließlich ... Und seitdem ...) zu beenden. Seine Kunden sollen sich dabei vorstellen, in einer Welt zu leben, in der ihr Unternehmen wichtige Umbrüche verschlafen hat. Wie alle guten Geschichten soll auch die Erzählung aus Anfang, Mittelteil und Ende bestehen. Auf dem Arbeitsblatt, das Popper austeilt, fordert er seine Kunden auf, sich das schlimmstmögliche Ergebnis vorzustellen. „Zeigen Sie einen radikalen Umbruch, der Ihr Unternehmen aus dem Markt gedrängt hat." Das Ziel der Übung: disruptive Entwicklungen vorauszuahnen - also solche, die ein bestehendes Geschäftsmodell grundlegend verändern.


Dementsprechend dominiert ein Thema Poppers Arbeit: die Digitalisierung - allerdings nicht nur deren wirtschaftliche Folgen. Es gehe auch um die Frage, so Popper, wie man neue Technologien wie künstliche Intelligenz nutzen könne, damit sie sowohl für Unternehmen als auch die Gesellschaft wertvoll seien.


Inzwischen lebt Popper in Los Angeles - und damit im Zentrum der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. „Los Angeles ist der Ort der Vorspiegelung", sagt er über seine Heimat. An diesem Ort der Täuschung, wo der amerikanische Traum lebt, aber oft unerfüllt bleibt, will Popper mit Science Fiction Unternehmen und der Gesellschaft helfen. Für den zurückhaltenden, eher unscheinbaren Mann ist das kein Gegensatz.

Zum Original