Andrea Baldi, Europa-Chef von Lamborghini, über Männerträume in China und Europa, nachhaltige Sportwagen und perfekte Autokäufer.
Am Tag nach der Eröffnung der Frankfurter Lamborghini Niederlassung ist Andrea Baldi müde. „Es war eine schöne Feier", sagt der CEO für Europa, den Nahen Osten und Afrika entschuldigend. In der Halle stehen Luxusautos neben Stehtischen - dazwischen viel freier Raum, fast museal.
Herr Baldi, was ist Luxus?
Luxus ist ein Detail. Lamborghini ist Performance, und Luxus ist ein Detail dieser Performance. Wir bedienen eine sehr kleine Nische des Automobilmarktes, und dementsprechend anspruchsvoll sind unsere Kunden. Sie verlangen viel, kennen sich gut aus und haben die nötige finanzielle Freiheit. Das Produkt muss also perfekt sein. Details sind für Lamborghini deswegen extrem wichtig: Es geht um das richtige Material, das Design, die Gerüche und den Sound.
Luxus ist also ein Gefühl?
Ja, der gesamte Kaufprozess – also die Reise des Kunden zu seinem Auto – muss luxuriös sein: Von dem Moment, in dem jemand unsere Marke kennenlernt, bis zu dem Moment, in dem der Kunde in sein Auto steigt. Deswegen sehen unsere Händler nicht wie das klassische Autohaus aus, sondern erinnern eher an eine Lounge. Auch für Events, die dort stattfinden, gilt: Das Beste ist gerade gut genug. Luxus ist aber nicht verstockt – im Gegenteil: Luxus ist etwas Informelles; Luxus ist Freiheit.
Viele Menschen engagieren sich für Fahrverbote in Innenstädten, verzichten auf ein Auto oder Flugreisen. Was heißt das für Sie als Sportwagenhersteller?
Die Debatte, die gerade geführt wird, ist sehr emotional. Lamborghini war aber immer einen Schritt weiter: Unsere Fabrik produziert seit Jahren CO2-neutral. Die Notwendigkeit, Emissionen zu reduzieren, war uns also schon sehr früh klar. In jedem Land, in dem wir Autos verkaufen, erfüllen wir alle gesetzlichen Regularien – von den USA über China bis nach Deutschland. Man muss aber auch sehen: Wir produzieren nur sehr wenige Fahrzeuge. Ein Flug nach Dubai setzt mehr CO2-Emissionen frei als die von uns in einem Jahr produzierten Fahrzeuge auf der Straße. Wir müssen also alles aus der richtigen Perspektive sehen und sicherstellen, dass wir ein Produkt haben, das unsere Kunden wollen.
Was bedeutet das?
Unsere Fahrzeuge müssen eine Performance aufweisen, die einem Supersportwagen gerecht wird, und mindestens drei Runden im Renntempo auf der Nürburgring Nordschleife schaffen. Erst wenn die verfügbare Technologie das möglich macht, wird es einen rein elektrischen Lamborghini Supersportwagen geben. Wir müssen also eine Balance finden zwischen dem Supersportwagen, den die Kunden wollen, und Nachhaltigkeit.
2025 will Lamborghini ein E-Auto auf den Markt bringen. Ist das nicht ein bisschen spät?
Mit der Konzept-Studie Terzo Millenio oder dem Hybrid-Sportwagen Sián haben wir schon gezeigt, dass wir in Richtung Elektrifizierung denken und hier nach Lösungen suchen. Wir werden bei der Elektromobilität aber nicht die Pioniere, sondern eher Follower sein. Die großen Autohersteller haben bedeutendere Probleme mit Emissionen, deswegen werden sie uns zeigen, wo es lang geht. Aber ganz ehrlich: Niemand kann heute sagen, dass Elektrifizierung die Lösung aller unserer Probleme ist. Wenn wir über grünere Motoren sprechen, sollten wir auch darüber sprechen, wie wir die Energieproduktion oder die Entsorgung von Batterien grüner machen können. Für diese Probleme gibt es bislang keine zufriedenstellenden Lösungen.
Kunden von Lamborghini gehören in der Regel nicht zu den Menschen, die freitags für Umweltschutz auf die Straße gehen.
Aber sie sind die Väter und Mütter derjenigen, die das tun. Ich denke, jeder ist daran interessiert, Emissionen zu reduzieren. Aber klar: Viele Kunden lieben den Sound unserer Autos. Ein schöner, vibrierender Sound, den nur der Verbrennungsmotor macht. Wie weckt man diese Emotionen mit einem Elektroantrieb?
Viele Autobauer schauen nach Asien. Es gibt rund 3,5 Millionen Millionäre in China. Umweltbewegung hin oder her – das sind doch gute Zeiten für Sie?
Ich habe viele Jahre in China gelebt und kann Ihnen sagen: Es ist ein Ort, der sich rasend schnell verändert. Als Europäer verstehen wir die Geschwindigkeit der Veränderungen dort oft nicht. Natürlich wächst der Markt, aber auch die Regeln und Vorschriften in China ändern sich schnell. Für uns ist es sehr wichtig, diese Entwicklungen sehr genau zu beobachten. Dieser stete Wandel bedeutet, dass es nur ein sehr kurzes Zeitfenster für uns gibt, die Autos auszuliefern. Es ist immer einfacher, mit einem Produkt in einen Markt zu gehen, den man komplett versteht.
Was sind die Unterschiede zum Geschäft in Europa?
Chinesen haben natürlich einen anderen kulturellen Hintergrund als Europäer. In Deutschland, Italien oder England hatten viele Jungs in ihrer Kindheit Poster von Sportwagen an der Wand ihres Kinderzimmers hängen. Im Grunde war das schon der Beginn eines Kaufprozesses, Jahre vor dem tatsächlichen Kauf. Viele Chinesen sind anders aufgewachsen, hatten andere Träume und sind deswegen weniger an unseren Supersportwagen interessiert. Dieser Virus aus der Kindheit, die Begeisterung für Sportwagen, fehlt. Supersportwagen hatten es in China auch deswegen lange schwer, unser SUV Urus kam dagegen sofort sehr gut an.
Bei Mädchen und Frauen tut sich Lamborghini schwer. Katia Bassi, Chief Marketing Officer von Lamborghini, hat mal gesagt, Frauen seien lange von Ihren Autos eingeschüchtert worden.
In der Vergangenheit war die Positionierung unserer Modelle eher auf Männer ausgerichtet. Das Design, die Präsentation, das Fahrgefühl – alles war testosterongetrieben. Das ging aber auch nicht anders. Denn um leichte Supersportwagen mit der gewünschten Performance zu bauen, mussten wir auf alles verzichten, was komfortabel ist: Vier Sitze oder ein Kofferraum zum Beispiel.
Inzwischen ist das anders?
Die Technik hat uns neue Möglichkeiten gegeben, und wir haben begonnen, an etwas zu arbeiten, was eigentlich unbekannt war: Komfort. Wir mussten nicht mehr so kompromisslos sein und konnten uns öffnen – nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer, die mehr wollten als ein Auto für die Rennstrecke, sondern damit auch in die Innenstadt wollen. Wir sprechen heute also nicht nur die Hardcore-Supersportwagenfans an, sondern haben unsere Kundenbasis mit dem SUV Urus ausgebaut.
Das hat funktioniert?
Wunderbar sogar. Über 70 Prozent der Urus Käufer sind komplette Neukunden für uns.
Die Erwartungen der Autokäufer haben sich also deutlich verändert?
Ja, heute muss auch ein Lamborghini jeden Tag vielseitig nutzbar sein. Der Reifenwechsel oder Werkstattbesuche müssen schnell gehen. Viel wichtiger ist aber, dass die Kunden eine kontinuierliche Kommunikation mit der Marke erwarten. Früher hat man das Auto bestellt, dann gewartet und irgendwann ist man damit losgefahren. Warten muss man auch heute, aber der Kunde kann sein Auto ab dem Kauf mit einer App durch den Produktionsprozess begleiten.
Mit einer App?
So bleiben wir in Kontakt mit den Kunden. Über die App bekommt der Käufer regelmäßig Bilder von seinem Auto, während es hergestellt wird. Außerdem ist die App das Ticket zu exklusiven Veranstaltungen. So stellen wir sicher, dass das Gespräch zwischen dem Kunden und uns nicht abreißt, und so können wir seine Erwartungen steuern.
Wählen Sie Kunden gezielt aus – oder gilt: Wer das Geld hat, darf einen Lamborghini kaufen?
Das kommt darauf an. Jeder kann die Modelle Urus, Huracán und Aventador kaufen. Bei limitierten Editionen sieht es anders aus. Dort ist die Nachfrage immer deutlich größer als das Angebot – wir können uns die Kunden also aussuchen. Und wir bevorzugen jene, die loyal zu uns sind, also in der Vergangenheit bereits Lamborghini gekauft haben. Es gibt einen Score: Diejenigen, die viele Lamborghini besitzen und sie nicht weiterverkaufen, stehen oben auf der Liste. Das geht soweit, dass wir besonders loyale Kunden bereits vor der Weltpremiere einladen und die verfügbare Anzahl der Fahrzeuge schon ausverkauft ist, bevor die offizielle Präsentation dieses limitierten Modells stattfindet.
Wie verhindern Sie, dass die falsche Person Ihr Auto kauft?
Ganz ehrlich: Wenn jemand ein Auto kauft, gehört es ihm. Wir schreiben ihm nicht vor, was er damit machen soll. Bei den limitierten Lamborghini Modellen behalten wir uns aber ein vertragliches Rückkaufrecht vor. Wenn der Kunde sein Auto also weiterverkaufen will, muss er uns zuerst fragen, ob wir das Auto zurückkaufen wollen. Wir wollen so verhindern, dass die Autos Spekulanten in die Hände fallen.
Zum Abschluss: Drei Namen und Sie antworten mit Ja oder Nein, ob Sie diese Person in einem Lamborghini sehen wollen.
Klar.
Angela Merkel?
Ja.
Greta Thunberg?
Ja.
Donald Trump?
Ja, warum nicht? (lacht)
Trump hatte wohl tatsächlich einen 1997er Lamborghini Diablo.
Wissen Sie, wenn man an Lamborghini denkt, denkt man oft an Exklusivität. Diesen Begriff mögen wir eigentlich nicht, wir schließen niemanden aus. Es geht nicht um Politik oder Meinungen. Es geht um private Träume. Jeder hat das Recht, einen Lamborghini zu kaufen.
Zur Person
Andrea Baldi, 44, führt die Geschäfte von Lamborghini in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Zuvor arbeitete der Italiener fast zehn Jahre für den Motorradhersteller Ducati – zuletzt im asiatisch-pazifischen Raum. Dort blieb er nach seinem Wechsel zu Lamborghini zunächst. Baldi war Managing Director in China. 2018 kehrte er nach Europa zurück.
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