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E-Scooter erzeugen mehr Treibhausgasemissionen als ein Dieselbus

Sie stehen überall in den Städten. Aber sind E-Scooter wirklich so umweltfreundlich wie die Anbieter behaupten? Eine Analyse.


Die Anbieter von E-Scootern sind angetreten, den Verkehr sauberer zu machen und, wie der Anbieter Voi, die Städte von „Lärm, Stress und schmutziger Luft" zu befreien. Dank der Roller lassen Autofahrer ihren Wagen auf kurzen Strecken stehen und der Ausstoß klimaschädlicher Abgase sinkt - so die Argumentation. Auf 100 Kilometern stoßen die E-Roller rund 500 Gramm CO2 aus. Bei einem mit Benzin betriebenen Kleinwagen sind es auf der gleichen Strecke etwa elf Kilogramm. Diese vermeintlich gute Ökobilanz berücksichtigt aber nicht, wie die Roller hergestellt werden, was sie ersetzen und wie lange sie eingesetzt werden.


Und diese Rechnung fällt nicht so gut aus: An der North Carolina State University haben Forscher den gesamten Lebenskreislauf der E-Scooter untersucht. Sie fanden heraus, dass E-Scooter, die man überall abstellen kann, mehr Treibhausgasemissionen erzeugen als ein gut besetzter Dieselbus. Zwar produzieren die Roller in dem Modell der Forscher tatsächlich weniger CO2 pro Meile als ein Auto. Allerdings gaben nur 34 Prozent der für die Studie befragten Rollerfahrer an, das Gefährt anstelle eines Autos zu benutzen. Fast zwei Drittel wären gelaufen, mit dem Rad oder Bus gefahren, gebe es die Roller nicht. Das deckt sich mit Studien aus Portland und Paris. In der französischen Hauptstadt hatten sogar nur acht Prozent der Befragten angegeben, dass ihre Rollerfahrt eine Auto- oder Taxifahrt ersetze. Die E-Scooter sorgen in einem Großteil der Fälle also für mehr Emissionen.

Die meisten schädlichen Klimagase entstehen dabei nicht durch das Aufladen, sondern durch die verwendeten Rohstoffe und die Herstellung - oft an Produktionsstätten in Südostasien und nicht dort, wo die Roller im Straßenverkehr benutzt werden. Das notwendige Aufladen der Roller bringt ein weiteres Problem: Jeden Abend müssen sie eingesammelt, jeden Morgen verteilt werden - oft mit Dieseltransportern. Selbst Roller mit einer vollen Batterie sind davon nicht ausgenommen.


Auch die Akkus sind nicht umweltfreundlich: Sie enthalten eine fluorhaltige, giftige und leicht entzündliche Flüssigkeit, wie das Bundesumweltamt mitteilte. Bekommt die Batterie einen Riss, könnte der Akku in Brand geraten. Bei der Produktion der Batterien werden unter anderem Lithium und seltene Erden verwendet, deren Abbau für die Umwelt bedenklich ist. Nach der Herstellung sollen die Roller der meisten Anbieter eine Lebensdauer von knapp zwei Jahren haben. Realistisch ist das nicht: Immer wieder werden E-Roller zerstört, landen in Flüssen oder Straßengräben. Die Roller des Anbieters Bird hielten nach den Recherchen des amerikanischen Magazins „Quartz" im Schnitt sogar nur 28,8 Tage.

Hier lesen Sie über die Regeln, die es für die Nutzung von E-Scootern gibt

Die Anbieter haben also noch viel Arbeit vor sich, bis E-Scooter tatsächlich eine umweltfreundliche Alternative sind. Neben besseren Akkus und einer längeren Lebensdauer müssen sie die Transportwege zum Aufladen verkürzen. Staatliche Behörden haben bei der Regulierung der E-Roller wenig Spielraum, obwohl die Anbieter den öffentlichen Raum nutzen und damit Geld verdienen. Im Kampf gegen zugestellte Gehsteige müssen die Kommunen zum Beispiel auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter hoffen - wie am Montag, als sich der Deutsche Städtetag mit den Anbietern auf ein „Memorandum of Understanding" einigte.


Von Steffen Herrmann
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