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Geschlechterklischees im Sport : "Sie nannten mich Eisprinzessin"

Abwertende Sprüche und Anfeindungen kennen Robert und Léonard seit Jahren. Der eine macht Eiskunstlauf, der andere tanzte lange Ballett - unmännlich, finden einige Menschen noch immer. Wie befreit man sich von diesen Vorurteilen? Und wie hat ihre Sportart ihr Bild von Männlichkeit geprägt?

Robert Kunkel, 22, Eiskunstläufer

Mit fünf stand ich das erste Mal auf dem Eis. Das war nicht meine Entscheidung, sondern die meiner Eltern. Als Kind bin ich viel herumgetanzt, war immer in Bewegung. Meine Mutter hat schnell erkannt, dass ich ohne Sport nicht ausgelastet bin. Also hat sie mich beim Eiskunstlauf angemeldet. Ich hatte Talent und wurde an einer Grundschule in Berlin eingeschult, die auf Sport spezialisiert ist. Dort hatte ich zusätzlich zu Mathe, Deutsch und Erdkunde Grundlagentraining im Eiskunstlaufen. Mit anderen Kindern, die nicht auf dieselbe Schule gingen oder Eiskunstlauf hätten albern finden können, hatte ich zunächst gar keinen Kontakt.

Mein Bruder und ich konkurrierten um die Aufmerksamkeit unserer Eltern. Dann sagte er, dass Eisläufer Weicheier seien, um mich zu ärgern. Robert

Erst in der dritten Klasse ist die Bubble aufgebrochen und ich hatte mit Kindern bei einer Ferienfreizeit in meinem Alter etwas zu tun, die komisch fanden, dass ich als Junge Eiskunstlauf mache. Davor gab es keinen Moment, in dem ich oder andere das je hinterfragt hatten. Einige der Jungs, die ich neu kennengelernt hatte, sagten, dass Eisläufer keine richtigen Kerle und schwul seien, dass Eiskunstlauf ein Mädchensport sei. Das hat mich aber damals nicht wirklich getroffen, was vor allem an meinem Umfeld, meinen Klassenkamerad*innen, Freund*innen und meinen Eltern lag. Vor allem meine Familie hat mich immer unterstützt, anders hätte es gar nicht funktioniert. Ich musste jeden Tag zum Training und am Wochenende zu Wettkämpfen gefahren werden. Mein älterer Bruder hat früher geturnt, war auch ziemlich gut, hat aber damit als Teenager aufgehört. Wir konkurrierten manchmal um die Aufmerksamkeit unserer Eltern. Dann sagte mein Bruder, dass Eisläufer Weicheier seien, um mich zu ärgern. Das hat mich genervt.

Mit 14 habe ich angefangen Computer zu spielen und fand darüber Freunde im Internet. Wenn ich sie beim Spiel Battlefield platt machte, hackten auch sie auf meinem Sport rum. Sie nannten mich "Eisprinzessin" und machten sich über meine Turnieroutfits lustig. Die Kostüme liegen eng an und sind mit Glitzer geschmückt. Gleichzeitig fanden sie es aber auch spannend, weil sie dachten, dass ich bei den Hebefiguren meine Partnerin anfassen kann. Doch damals habe ich noch keinen Paarlauf gemacht und es geht beim Eiskunstlauf auch nicht darum, dass ich meine Partnerin begrapsche. Als sie hörten, dass kein Mädchen involviert ist, waren sie enttäuscht. Das war einfach dummes Gelaber unter Jungs.

Heute mache ich immer noch Eiskunstlauf im Profibereich und studiere nebenher im dritten Semester Wirtschaftsingenieurwesen. Seit ich erwachsen bin, habe ich keinen blöden Spruch mehr über meine vermeintliche Unmännlichkeit bekommen. Die Menschen, die ich kennenlerne und die erfahren, was ich mache, sind vielmehr beeindruckt von meinem hohen Leistungsniveau. Ich habe mit meiner Partnerin bei den letzten Europameisterschaften den siebten Platz belegt. 2021 waren wir bei der WM dabei. Für Olympia müssen wir uns noch qualifizieren. Darauf bereite ich mich gerade vor. Mein Tag ist streng durchgetaktet. Ab 9 Uhr übe ich Todesspiralen und Pirouetten, von 11 bis 12 trainiere ich meine Technik, dann habe ich Uni, am Nachmittag noch mal eine Einheit auf dem Eis und abends geht es zum Krafttraining.

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