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Sonnenschutz: "Eine gesunde Bräune gibt es nicht"

Vorab eine schlechte Nachricht für alle, die die Sonne lieben und anbeten: "Eine gesunde Bräune gibt es nicht", sagt die Dermatologin Yael Adler. Die Schäden von der Haut seien nicht gleich zu sehen, sondern würden mit einer Verzögerung von bis zu 20 bis 30 Jahren sichtbar. In ihrer Praxis in Berlin hat Adler die Erfahrung gemacht, dass ihre Patientinnen und Patienten stärker auf den Hinweis vor Alterserscheinungen reagieren als auf die Warnung vor Hautkrebs. "Ich schlage jedem ab einem Alter von 35 vor, sich nackt auszuziehen und vor den Spiegel zu stellen und ihr Gesicht mit dem eigenen Po zu vergleichen. Beide sind gleich alt, aber das Gesicht zeigt die Lichtalterung", sagt Yael Adler. Zu sehen seien Flecken, Äderchen und Falten - ausgelöst durch die schädlichen UV-Strahlen, der meist von der Badehose bedeckte Po zeigt das nicht. "Für mich ist Arschgesicht ein Kompliment", sagt Adler und lacht. Deswegen: lieber immer eincremen, und zwar reichlich.

Für einen gesunden Sonnenschutz gilt: "Meiden, kleiden, cremen. Das ist auch die Reihenfolge, an die man sich halten sollte", sagt die Dermatologin. Sie warnt vor der starken Mittagssonne und rät abzuwarten, bis die Strahlung am späten Nachmittag schwächer ist. Die Haut lässt sich mit Kleidung schützen. Es gibt zertifizierte Stoffe, die zuverlässig abschirmen und mit einem Gütesiegel Europäische Norm DIN gekennzeichnet sind. Dunkle Farben schützen besser, so auch dichtgewebte Textilien, meist aus Synthetik, wichtig beispielsweise beim Schnorcheln im Meer. Adler empfiehlt neben Kleidung, einen Hut mit Nackenkrempe als Schutz vor der direkten Sonne zu tragen. Die Sonnencreme sei optimalerweise für die Stellen gedacht, die sich anderes nicht bedecken lassen. Aber Vorsicht: Die UV-Strahlen sind auch im Schatten, bei bewölktem Himmel und hinter Autofensterscheiben gefährlich für die Haut.

Man unterscheidet zwischen UV-A und UV-B-Strahlen, die eine unterschiedliche Wellenlänge haben. Die kürzeren UV-B-Strahlen haben mehr Energie als UV-A-Strahlen, die jedoch tiefer in die Haut eindringen können. Beide UV-Strahlen können Ursache für sofortige und langfristige Wirkungen an der Haut sein. Am besten solle man die aktuelle Bestrahlungsstärke in dem UV-Index checken, ob Sonnenbrandgefahr besteht - auch an einem sonnigen Dezembertag, so die Hautärztin: Je höher der Index, desto höher das Risiko für Verbrennungen. Im Sommer liegt der Wert im Norden von Deutschland bei sieben, im Süden bei zehn, am Mittelmeer oft bei der höchsten Einheit von elf. "Wenn der UV-Index im Winter unter drei ist, dann braucht man sich auch als Hellhäutiger nicht einzucremen. Außer man geht Skifahren, denn da ist die Strahlungsintensität wiederum hoch", sagt Adler.

Der Sonnenschutz wird durch UV-Filter in dem Produkt garantiert. Die Substanzen absorbieren, reflektieren oder streuen die gefährliche Strahlung und schützen so die Haut. Die Filter wirken gegen UV-A, UV-B-Strahlung oder gegen beide als Breitbandfilter. Es wird zwischen zwei Arten unterschieden: chemische und mineralische Filter. Sie haben unterschiedliche Wirkmechanismen. Die chemischen Filter bestehen aus organischen Molekülen, die UV-Strahlen aufnehmen und in harmlose Wärmestrahlung umwandeln. Die mineralischen, auch physikalische Filter genannt, sind Partikel, die fein gemahlen wie Spiegel funktionieren und die UV-Strahlen reflektieren.

In der EU sind derzeit 29 Filter zugelassen, die in Cremes, Sprays und Ölen verwendet werden dürfen, sagt Sara Waldau, Redakteurin bei Stiftung Warentest. In zertifizierter Naturkosmetik dürften nur anorganische Filter enthalten sein, beispielsweise Titandioxid oder Zinkoxid. "Cremes mit mineralischen Filtern können als unattraktiv empfunden werden, wenn die Pigmente nicht fein genug gemahlen sind und sich wie ein weißer Film auf die Haut legen, sodass man wie ein Gespenst wirkt", erklärt Yael Adler, die Dermatologin. Mittlerweile gibt es aber feinst gemahlene mineralische Zubereitungen in der Größe von Nanopartikeln, so klein, dass man sie mit den Augen nicht sehen kann. Diese sollten zur Sicherheit bei kleinen Kindern nicht benutzt werden, weil man noch nicht genau wisse, ob sie in den Körper eindringen könnten, so Adler. Einzelne Substanzen würden immer wieder in Kritik geraten, weil sie die Gesundheit oder die Umwelt schädigen könnten.

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So stand der UV-Filter Octocrylen im Verdacht, ein endokriner Disruptor zu sein, also eine Substanz, die im Körper hormonelle Veränderungen auslöst und das Gleichgewicht stören könnte. Dieser Kritik ist der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit der EU nachgegangen, konnte jedoch keine hormonähnliche Wirkung von Octocrylen feststellen und hat es als weiterhin sichere Substanz in Kosmetika bewertet. Doch das ist nicht der einzige Kritikpunkt an dem UV-Filter: Octocrylen soll etwa Korallen schädigen, Fische bei ihrer Entwicklung stören und reichere sich in Muscheln und Austern an. Jedes Jahr landen nach Schätzungen etwa 14.000 Tonnen Sonnencreme im Meer.

Wie weit sich UV-Filter auf die Umwelt auswirken, ist noch nicht vollständig erforscht, aber es gibt schon Staaten, die auf die Belastung reagieren. Auf Palau im Pazifik wurde 2020 deswegen Oxybenzon und Octocrylen zum Schutz der Korallen und anderer Meereslebewesen verboten. Auch Hawaii hat dieses Jahr zwei chemische UV-Filter verboten, die nach Studien die Umwelt gefährden. Der eine betroffene Inhaltsstoff, Oxybenzon, werde in Deutschland bei Sonnencreme ebenfalls nicht mehr verwendet, der andere, Octinoxat, nur selten, so Sara Waldau. Derzeit werde überprüft, ob die Daten über die Schädlichkeit reichen, damit die Stoffe auch innerhalb Europas verboten werden würden.

Stiftung Warentest hat dieses Frühjahr 17 Produkte unterschiedlicher Preisklassen mit einem hohen Lichtschutzfaktor - 30, 50 und 50+ - getestet: ob der ausgelobte Sonnenschutz eingehalten wird, auf Hinblick der mikrobiologischen Qualität und die Verträglichkeit der Textur. Die Ergebnisse besagen: Zehn Produkte schneiden gut ab, vier sogar sehr gut.

Der Lichtschutzfaktor auf der Packung gibt an, wie viel der UV-B-Strahlen durch das Produkt abgefangen wird. Die Zahl kennzeichnet den Faktor, um den sich die mögliche Verweildauer in der Sonne bis zu einer Verbrennung verlängert. Auf der Verpackung wird der Schutz vor UV-B-Strahlen angegeben, jedoch empfiehlt die Europäische Kommission, dass das Produkt mit mindestens einem Drittel der Filter auch vor UV-A-Strahlen schützt.

Welcher LSF zu verwenden sei, hängt mit dem Hauttyp zusammen. "Wenn ich ein heller Hauttyp bin, nach zehn Minuten rot werde, verlängere ich mit einer Creme mit Sonnenschutzfaktor 30 die Zeit rein theoretisch auf 300 Minuten", sagt Sara Waldau. Ausreizen sollte man diese Zeit jedoch nicht, sondern etwa nach zwei Dritteln rausgehen aus der Sonne und der Haut eine Pause gönnen. "Jedem würde ich so viel Schutz, wie es geht, empfehlen. Selbst bei LSF 50 bräunt die Haut durch die Sonne. Ich finde nicht, dass man sich bräunen und schon gar nicht rot werden sollte", warnt Yael Adler, die Hautärztin. Besonders Kindern gegenüber habe man eine große Verantwortung, ihre Haut sei viel sonnenempfindlicher als die von Erwachsen, und man müsse sie mit einem hohen Lichtschutzfaktor eincremen, denn jeder Sonnenbrand würde das Hautkrebsrisiko im Lauf ihres Lebens steigern.

Der häufigste Fehler beim Auftragen der Sonnencreme sei, zu wenig von dem Produkt zu verwenden. Vorgesehen wären zwei Milligramm pro Quadratzentimeter Hautoberfläche. Untersuchungen hätten jedoch gezeigt, dass durchschnittlich nur ein Viertel Creme verwendet wird, also 0,5 Milligramm Creme pro Quadratzentimeter. Praktisch umgerechnet empfiehlt Adler: "Je nach Größe und Gewicht ein bis zwei Schnapsgläser voller Sonnencreme pro Sonnenbad. Für das Gesicht etwa einen halben Teelöffel Creme." Wer zwei Wochen in den Urlaub fahren würde, müsste also eigentlich drei Flaschen Sonnencreme verbrauchen. "Hier gilt tatsächlich: Viel hilft viel", sagt auch Sara Waldau.

Die Preisspanne der Produkte variiert enorm: 100 Milliliter gibt es von 1,23 Euro im Drogeriemarkt bis zu 21 Euro in der Apotheke. "Sonnenschutz muss nicht teuer sein. Die vier Testsieger sind die günstigen Produkte", sagt Waldau.

Die Hersteller garantieren bei Sonnencreme nicht nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum, sondern auch eine Wirksamkeit von zwölf Monaten nach dem Öffnen. Kann die Lotion vom vorherigen Sommer genutzt werden? Wenn sie an einem kühlen, dunklen Ort gelagert wird, dann wäre das kein Problem. Waldau empfiehlt einen simplen Test: Deckel auf und dran riechen. Sollte das Produkt trotz normalen Geruchs flocken, dann auch lieber entsorgen. Wenn die Tube öfter im heißen Auto gelegen hat, ebenfalls, denn die Schutzwirkung wird durch Wärme und Sonneneinstrahlung schneller abgebaut - und der Inhalt kann dann Irritationen auslösen. Warum manche Menschen eine Sonnenallergie bekommen, das sei wissenschaftlich allerdings noch nicht geklärt, sagt Yael Adler.

Die Sonnenallergie ist ein Schirmbegriff für viele Unverträglichkeiten, die durch den Kontakt mit Sonne ausgelöst werden können. "Hauptauslöser für eine Sonnenallergie ist die UV-A Strahlung, die tief in die Haut eindringt", erklärt Adler. Aber auch die Veränderung der Sonnencreme durch die Hitze und Strahlung könne eine Sonnenallergie hervorrufen oder Medikamente, die sich auch in der Haut ablagern.

"Zu einem sicheren Schutz werden meist mehrere Filter in einem Produkt kombiniert", sagt Sara Waldau, Redakteurin von Stiftung Warentest. Dieses Spektrum der Filter soll die Strahlung abdecken und gewährleisten, dass die Wirkung trotz Sonneneinwirkung möglichst lange stabil bleibt. Der Zerfall von Filtern mindert aber nicht nur die Schutzleistung, sondern kann zudem Irritationen auslösen. Es gibt Substanzen, die sich in der Sonne verändern können und zu Allergenen werden. So kann beispielsweise eine Kontaktallergie entstehen, wie etwa bei Nickelunverträglichkeit. Da sie sich aufbaut, sollte nicht nur bei der Sonnencreme darauf geachtet werden, dass wenig Allergene - Farbstoffe, Duftstoffe oder Konservierungsstoffe - enthalten sind, sondern auch in anderen Körperpflegeprodukten wie Duschgel oder Bodylotion.

"Ich bin immer für wenig Kosmetik, erst recht in der Sonne", sagt Yael Adler. Wer trotzdem Make-up verwenden wolle, solle besser ein Kombi-Produkt mit UV-A- und UV-B-Schutz verwenden. Sonst müsse eine Schichttechnik angewendet werden, wobei man den Sonnenschutz am Ende auftragen müsse, weil er sich sonst verdünnen würde. Ein weiterer Risikofaktor seien fettige Cremes, deren Fette durch die Sonnenenergie zersetzt werden und plötzlich Reizzustände auslösen können, beispielsweise die sogenannte "Mallorca-Akne". Zu verhindern sei das, wenn man darauf achte, dass die Creme fettarm ist.

Keine gute Idee wäre, noch bleich vom Homeoffice komplett an den Strand zu wechseln. Stattdessen sollte man Schritt für Schritt einen Eigenschutz der Haut aufbauen. "Es ist wichtig, die Haut langsam an die Sonne zu gewöhnen", sagt die Hautärztin Yael Adler: "Jeden Tag eine Minute länger in der Sonne bleiben, über drei Wochen hinweg, bis die Haut ein leichtes Beige aufbaut." Der Körper entwickelt neben einer Pigmentierung eine Verdickung der Haut, sodass weniger UV-B-Strahlen eindringen können und er für eine große Dosis Sonnenlicht besser gewappnet ist. Aber Vorsicht, dies funktioniert leider nicht bei allen Hauttypen. "Sehr hellhäutige Menschen, meist mit roten Haaren und Sommersprossen, können es genetisch nicht schaffen, sich gegen die Strahlung adäquat zu wehren, ohne Schäden zu kassieren. Bei den hellen Hauttypen hilft auch eine Gewöhnung nicht", sagt Adler. "Ihre Genetik wünscht sich Urlaub nördlich des Schwarzwaldes!"

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