Stefanie Sommer

Journalismus-Studentin | FAZ, Mainz

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Auf "Girl Math" folgt "Boy Math": Das hat es mit dem neuen Social-Media-Phänomen auf sich

Ich habe mir neulich einen Mantel gekauft, für den Herbst. Nicht dass ich nicht schon genug hätte, aber eben noch keinen braunkarierten (und der ist für cozy-"Gilmore Girls"-Fall-Vibes nun mal unerlässlich). Nun war der Mantel, nun ja, nicht ganz billig, besonders für eine Studentin. Jeden Tag rief ich mehrfach das entsprechende Lesezeichen auf der Seite des Onlineshops meines Vertrauens auf und rang mit mir: Sollte ich oder sollte ich nicht? Ich sollte, folgerte ich nach einer einfachen Rechnung: Ich würde den Mantel für mindestens drei Jahre tragen, möglicherweise von Oktober bis März. Außerdem war es ein leichteres Übergangsmodell und davon hatte ich sonst noch keinen (doch einen, aber der fusselt). Der auserkorene Mantel war farblich super zum Kombinieren geeignet, was mir die Möglichkeit gab, viele Teile meiner Garderobe wieder mehr anzuziehen, die sich dadurch dann auch mehr rechneten. Ferner war soeben das neue Gehalt aufs Konto geflattert und ich würde demnächst eine Woche bei meinen Eltern verbringen, dort also sämtliche Lebenshaltungskosten sparen. Zudem standen auch noch zwei Rückzahlungen vorheriger Online-Käufe ins Haus, die mir zusammen den Mantel fast zur Hälfte schon mal finanzieren würden. Summa summarum: er war praktisch umsonst und der Kauf absolut gerechtfertigt.

Und das, liebe Damen und Herren, ist "Girl Math".

Das steckt hinter "Girl Math"

Diese Art von Rechnung kennen sicherlich viele - nur war uns bis jetzt nicht bewusst, dass es dafür auch einen Namen gibt (und dass so viele andere Frauen diese Denkakrobatik ebenfalls anstellen). Bekannt wurde der Begriff durch die neuseeländische Radio-Show "Fletch, Vaughan & Hayley" des Senders ZM. Dort gibt es seit einiger Zeit das Format "Girl Math", bei dem die Moderator:innen Zuhörer:innen helfen, teure (modische) Anschaffungen zu rechtfertigen. Im August fand der Begriff dann seinen Weg ins Internet, der entsprechende Hashtag auf TikTok verzeichnet aktuell über 500 Millionen Views. "Girl Math" hat mit Algebra nicht viel zu tun, es ist viel mehr ein psychologischer Trick, mit dem man versucht, (hohe) Ausgaben vor sich selbst und der Welt zu verteidigen. Wir gaukeln uns vor, wie wenig etwa ein Kleidungsstück am Ende kostet, wenn wir bestimmte Faktoren in die Kaufentscheidung miteinbeziehen. Wenn ich den Kaffee bar statt mit Karte statt bezahle, ist er umsonst (denn der Kontostand bleibt ja gleich). Und wenn ich den neuen Maxirock nicht behalte, sondern zurückgebe? Habe ich damit Geld verdient.

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