Großer Dreesch, Weißwasser, Hellersdorf, Schwarze Pumpe. Neustadt, Lütten Klein, Grünau, Marzahn, Sandow, Lichtenhagen. Überall in der DDR schossen seit den 1960er Jahren die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Etwa zwei Millionen Wohnungen entstanden so bis 1990. Die aus vorgefertigten Betonplatten zusammengesetzten Wohnblöcke hatten bei vielen Menschen schnell ihren Namen weg: "Plattenbauten". Ihre Bewohnerinnen und Bewohner hingegen nennen sie häufig noch heute, ein halbes Jahrhundert nach dem Bau, "Neubaugebiete". Stadtgeografisch korrekt handelt es sich um Großwohnsiedlungen: einheitlich geplante, oft staatlich finanzierte Hochhausviertel mit 1.000 Wohnungen und mehr.
Industriell gefertigte Wohnblöcke wurden auch in Westdeutschland errichtet, doch im Osten prägten sie viele Städte. Und die Mentalität ihrer Bewohner. Im Plattenbau hat sich die DDR selbst verwirklicht, sagt Steffen Mau, Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. In diesen traditionslosen Vierteln auf der grünen Wiese sollte die werktätige Klasse der DDR eine neue Form des Wohnens und des Lebens finden, ein sozialistisches Miteinander ausprägen. Steffen Mau veröffentlichte 2019 eine persönlich geprägte Sozialgeschichte Ostdeutschlands, die zum Bestseller wurde: Er selbst wuchs in Lütten Klein auf, der namensgebenden Rostocker Plattenbausiedlung. Viele Leserinnen und Leser fühlten sich mitgenommen in das Viertel und zu seinen Menschen, die für Mau beispielhaft für die Veränderungen in Ostdeutschland stehen.