Hochwürden ist gut drauf. Zeit also für eine Verständnisfrage: "Herr Pfarrer: Haben Sie tatsächlich eine Jungfrau zersägt?" Der Mann schaut einen zunächst ungläubig an, dann zeigt sich ein verschmitztes Grinsen. "Ja, aber die war, soweit ich weiß, nicht mehr Jungfrau." Kein Blitz fährt vom Himmel hernieder, der Satz verhallt ungesühnt im Kirchenschiff. Gott weiß, dass die "Zersägte Jungfrau" bloß ein Zaubertrick ist und sein Hirte nichts Böses im Schilde führt: Gert Smetanig, Pfarrer - und Magier.
Seine Wirkungsstätte liegt im oberösterreichischen Burgkirchen, 15 Kilometer südlich der Bezirkshauptstadt Braunau. Flaches Land, ein paar bewaldete Hügel ringsum, viel mehr als Innviertel ist hier nicht. Das Dorf mit seinen 2500 Einwohnern fädelt sich an einer Durchzugsstraße auf, in einer Kurve ragt Smetanigs Kirchlein mit dem schmucken Zwiebelturm auf. Nur der Imbisswagen mit dem "Innviertler Grill"-Schriftzug auf dem Parkplatz davor stört das Pfarrbrief-Idyll.
Drinnen, inmitten barocken Stucks und farbenfroher Fresken, gibt Pfarrer Smetanig, in Jeans, Sportsakko und modisch kariertem Hemd, den Gastgeber, verweist heiter und mit bühnenerprobtem Gestus, auf die frisch renovierten Gewölbe, den sehr modernen Altar aus Edelstahl und erfreut sich an der Fotogalerie der Täuflinge, die hier noch richtige Namen tragen. Josef, Alexander, Max, Anja. Er selbst hingegen ist: "The Magic Priest".
Das klingt nach waberndem Trockeneisnebel, Gothic-Dancefloor-Rhythmen und Las Vegas, ein klarer Hinweisgeber, dass der 44-Jährige nicht nur ein paar Firmlinge mit Hütchenspielen bei Laune hält. Seit Jahren schon verzaubert der gebürtige Kärntner im In- und Ausland das Publikum, sein Repertoire reicht vom klassischen Bühnenprogramm mit Kartentricks und Zauberzylinder übers Gedankenlesen bis zur ausgefeilten Illusionsshow Marke David Copperfield.
Der Pfarrer als Zauberer – das ist nicht nur eine originelle Doppelbegabung. Das wirft auch einige fundamentale Fragen auf: Wo hört Magie, die raffiniert inszenierte Illusion auf, wo fängt das göttliche Wunder an? Was ist Gottes Wirken und was Scharlatanerie? Und darf einer, der bei einer katholischen Sonntagsmesse in persona Christi Brot in einen "heiligen Leib" und Wein in "heiliges Blut" wandelt und zu Ostern vom Wunder der Wiederauferstehung Jesu kündet, darf so einer am Abend im glitzernden Bühnenanzug eine luftig gekleidete Dame in eine Box stecken und – scheinbar! – kunstvoll filetieren, Karnickel in Blumensträuße verwandeln oder Münzen aus Ohren zaubern?
Ende der Leseprobe.
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