
Anna Obritzhauser zeigt jungen Häftlingen seit sieben Jahren, wie man Haare schneidet. Für viele Gefangene wird sie zu einer wichtigen Bezugsperson: "Manche werden hier zum ersten Mal gelobt und sehen, dass sie etwas können", sagt sie.
Wien. Dicke, grüne Eisentore trennen Anna Obritzhauser von ihren Frisurpuppen und Haarzwickern. Sie greift nach dem Schlüssel, der an einer Kette an ihrer Hüfte hängt, und dreht ihn mit einem Ruck im Schloss herum. Mit einem kernigen Klonk, das dumpf in den dicken Torflügeln dröhnt, rastet der Riegel ein. Ein Geräusch, wie gemacht, um zeigen, dass es ernst ist. Als wolle das Tor nochmals warnen, vor dem Zutritt in eine andere Welt.
"So, wir sind da", sagt Obritzhauser und drückt das Tor auf. Der eiserne Bundesadler über dem Schriftzug "Gefangenenhaus beim Landesgericht für Strafsachen Wien" blickt wachsam auf die unscheinbare Tür, durch die Frau Obritzhauser das Gebäude inmitten von Gemeindebauten im Zentrum Wiens betritt. Vorbei an Torwache und Metalldetektor geht sie zu ihrem schuhschachtelgroßen Schließfach und dann weiter, Tor um Tor tiefer hinein in die Anstalt. Rasch ist klar, warum man vom "Bau" spricht: ein Labyrinth aus leeren Fluren und Stiegenhäusern. Kaltes Neonlicht spiegelt sich in grauen Bodenfliesen, in den Ecken hocken Kameras, hängen Konvexspiegel. Seit sieben Jahren hallen Obritzhausers Schritte bereits durch diese Gänge. Seit sieben Jahren zeigt sie jungen Häftlingen, wie man eindreht, einflechtet und abteilt: Anna Obritzhauser ist Berufsschullehrerin für Friseure und Perückenmacher in der Justizanstalt Josefstadt, dem größten Gefängnis Österreichs. Hier werden Personen zum Straf- und Maßnahmenvollzug für bis zu 18 Monate untergebracht. Seit 2003 auch Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren.
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