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Muslimbruderschaft soll angeblich Büro nach Graz verlegen

Britische Zeitung berichtet, dass ein neues Quartier in Europa gesucht wird. Als Quelle dient vermutlich ein dubioses ägyptisches Blatt

Helle Aufregung herrschte am Sonntag im heimischen Blätterwald. "Wird Graz das internationale Zentrum einer islamistischen Bewegung?", fragte die Kronenzeitung. Grund ist ein Artikel der "Daily Mail". Darin behauptet das britische Boulevardblatt, dass die Muslimbrüder ihr Hauptquartier von London in die steirische Landeshauptstadt Graz verlegen wollen.

Der britische Premier David Cameron hatte Anfang April angekündigt, die Aktivitäten und Verbindungen der Gruppe zu Terroranschlägen durch die britischen Geheimdienste MI5 und MI6 prüfen zu lassen. In Ägypten wurde die Bewegung nach dem Sturz ihres Präsidenten Mohammed Morsi im Vorjahr verboten.

Als Quelle für die brisante Information nannte die Daily Mail lediglich "Quellen". Bei diesen handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den englischsprachigen Blog "Global Muslim Brotherhood Daily Watch", der einen entsprechenden Bericht am 9. April 2014 veröffentlichte. Der Blogeintrag wiederum basiert auf einem Bericht der ägyptischen Tageszeitung "youm7" vom 7. April, die von einem Treffen führender Muslimbrüder berichtete. Dabei soll unter anderem beschlossen worden sein, dass die Büros der Muslimbruderschaft von London in andere europäische Städte verlegt werden sollten, darunter auch Graz. "youm7" gilt nicht als Hort ägyptischen Qualitätsjournalismus: In den vergangen Jahren wurde der Zeitung mehrfach vorgeworfen, Falschinformationen zu verbreiten. Vor allem die Muslimbrüder sind immer wieder im Visier von "youm7".

Muslimbrüder in Europa

Was genau die "Daily Mail" mit "Hauptquartier" gemeint hat, ist unklar, sind doch die Muslimbrüder in Europa viel mehr eine ideologische Verbindung denn eine echte Organisation. Am europäischen Kontinent treten sie in verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Vereinen in Erscheinung. Daher behaupten auch viele Muslimbrüder in Europa immer wieder, dass sie gar nicht Teil der Organisiation wären - womit sie rein technisch betrachtet auch richtig liegen.

Eine dieser Personen ist unter anderem Ayman A. Der Präsident einer wichtigen muslimischen Jugendorganisation in Europa lebte jahrelang in Graz und betrieb dort eine Handelsgesellschaft. Als Mohammed Morsi zum Präsidenten Ägyptens gewählt wurde, wurde A. dessen Berater. Heute sitzt er gemeinsam mit anderen Muslimbrüdern in Ägypten in Haft. (Stefan Binder, derStandard.at, 13.4.2014)

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