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Mama ohne Filter: Essenerin bloggt über ihren Familienalltag

Mit ihrem Account will Sara Pierbattisti ein „Gegenpol“ zu anderen „Mum-Bloggerinnen“ und ihren perfekt inszenierten Fotos sein. Foto: Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Sara Pierbattisti gibt als „Brombeermama" Einblicke in ihren Familienalltag. Wie sich die Essenerin von anderen Mum-Bloggerinnen abheben will.

Sara Pierbattisti filmt sich, wenn sie von einem Wäscheberg zum nächsten rennt. Oder wenn sie um acht Uhr abends mit ihrem Sohn in der Küche sitzt, der nach zehn Runden Puzzeln plötzlich Lust hat, mit Knete zu spielen anstatt ins Bett zu gehen. Und sie filmt sich im Sommerurlaub. Nicht am Pool, sondern im Kids-Club. Pierbattisti ist Bloggerin. Als „Brombeermama" gibt die Essenerin Einblicke in ihren Alltag.

Sie teilen ihr Familienleben im Internet, Millionen schauen zu: „Momfluencer-Accounts" boomen. Die Social-Media-Plattform Instagram ist voll mit Fotos und Videos von aufgeräumten Wohnungen, lachenden Kinder in schicken Outfits und überglücklichen Müttern. Pierbattisti will es anders machen, ein „Gegenpol" zu den „Mum-Influencerinnen" mit ihren perfekt inszenierten Beiträgen und Werbedeals sein.

Mit Erfolg: Mittlerweile folgen ihrem Profil mehr als 28.000 Menschen. „2017, in meiner ersten Schwangerschaft, habe ich den Account gestartet, weil ich in den Austausch mit anderen Schwangeren und Eltern kommen wollte", erinnert sich die heute 39-Jährige. Anstatt auf hilfreiche Informationen stoß sie bei Instagram allerdings eher auf Profile, „die das Bild dieser Happy Little Family zeichnen. Alles rosarot, keine Probleme." Pierbattisti möchte anderen Eltern hingegen zeigen, „wie es wirklich ist" - und ihnen so den Druck nehmen. Schließlich sei dieser sowieso schon von allen Seiten groß, vor allem auf die Mütter.

„Familie, Haushalt, Job. Alles hat zu funktionieren", kritisiert sie. Dass das kaum zu schaffen, der Alltag sowieso „ultra anstrengend" sei, hat sie bereits kurz nach der Geburt ihres Sohnes realisiert. Der Plan für die Elternzeit: immer frisch kochen, die Zeit zu Hause mit dem Baby genießen, auch mal ins Café gehen. „Aber dann kam ich nicht mal dazu, die einfachsten Dinge im Alltag zu schaffen, geschweige denn in Ruhe im Supermarkt einzukaufen."

Mittlerweile ist ihr Sohn fünf Jahre alt, vor zwei Jahren hat sie noch eine Tochter bekommen. Um die Privatsphäre der beiden zu schützen, spricht sie online von ihnen nur als „Rufus" und „Mora", lateinisch und italienisch für Brombeere. Da sie - anders als viele „Mami-Bloggerinnen", die ihre Kinder teilweise sogar beim Baden oder Schlafen filmen - die Kindheit der beiden nicht in den sozialen Medien dokumentieren möchte, teilt sie auch keine Fotos oder Videos von ihnen. Stattdessen zeichnet sie die typischen Alltags-Situationen und Herausforderungen vieler Familien.

In ihren Illustrationen geht es um Schwangerschaft, Stillzeit und Wochenbett. Um Hebammen-Mangel und Medikamenten-Knappheit. Um Erziehung. Und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein wichtiges Thema, nicht nur für Pierbattisti selbst, sondern auch für ihre Followerinnen, wie sie aus dem Austausch mit ihnen weiß.

Sie alle machen ähnliche Erfahrungen, erzählt Pierbattisti: „Wie kannst Du Dein Kind schon so früh in die Betreuung geben? Oder auch: Wie kannst du es denn erst so spät abgeben? Da verliert es doch ganz viele Entwicklungsmöglichkeiten in der Kita. Du musst dann aber auch wieder voll in den Job einsteigen. Aber nicht zu viel, dann bist du karrieregeil. Solche Vorwürfe müssen sich viele Mütter anhören." Ihr Fazit: „Wie du es machst, machst du es falsch."

Pierbattisti hat sich mittlerweile mit ihrem Blog selbstständig gemacht, berät darüber hinaus als Business-Coachin andere Mütter bei der Rückkehr ins Berufsleben. Was ihr dabei aufgefallen ist: Viele Mütter vergessen, auf ihre Bedürfnisse zu achten.

„Essen, Trinken, bisschen schlafen, das bekommen die meisten noch hin, aber Bedürfnisse nach Selbstbestimmung, Erholung, Anerkennung: Das geht oft verloren." Sie will den Eltern klar machen, dass sie nicht alles allein schaffen müssen, sondern sich getreu dem Motto „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf" Hilfe suchen sollten. Ob bei der Betreuung, im Haushalt oder im Beruf.

Die Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen, hat allerdings nicht jede Familie. „Ob du als Familie locker durchkommst im Alltag, liegt vor allem daran, ob du Glück und Geld hast." Ob für die Kinderbetreuung, für einen Ausflug in den Zoo oder für die Möglichkeit, nicht in Vollzeit arbeiten zu müssen. Pierbattisti hat die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern denken, sie seien mit all diesen Problemen allein.

Dadurch fühlen sich viele einsam, selbst wenn sie inmitten junger Familien beim Babykurs sitzen. Gegen dieses Gefühl der Einsamkeit will die Bloggerin ankämpfen. Schließlich sei es eigentlich das Gefühl von Gemeinschaft, was eine Familie ausmacht - und das für sie auch das Schönste am Muttersein ist.

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