Sophie Schädel

Freie Journalistin, Dortmund

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Ausländerbehörde Duisburg: Unerreichbar für Studierende?

Brandon* hat Probleme mit der Ausländerbehörde in Duisburg, nachdem er hier seinen Master abgeschlossen hat. Er versuche dort seit Juni 2020 vergeblich, einen Termin zu bekommen, den er dringend braucht, sagt er. Die Behörde bestätigt uns, dass sie aktuell Anfragen von internationalen Studierenden nicht zeitnah beantworten kann. Eine Antwort auf die von Brandon geschilderten Probleme hat sie allerdings nicht.

Vergangenes Jahr hat Brandon sein Masterstudium an der Universität Duisburg-Essen (UDE) abgeschlossen. Normalerweise haben internationale Studierende dann ein Visum, mit dem sie 18 Monate Zeit haben, um in Deutschland einen Job zu finden. So sieht es das Aufenthaltsgesetz vor. Seit Juni versucht er, dieses neue Visum zu bekommen, doch dafür bräuchte er einen Termin bei der Ausländerbehörde. Die antwortet nicht auf seine Mails und hebt nicht ab, wenn er anruft, sagt er akduell im Interview.

„Ich hing stundenlang in der Warteschleife am Telefon. Irgendwann habe ich einfach aufgelegt", erklärt Brandon verärgert. Er war schon mehrmals an der Ausländerbehörde und wollte persönlich vorsprechen, doch wegen Corona wurde er vor der Tür von Sicherheitsleuten abgewiesen - ohne Termin ist hier während der Pandemie kein Zutritt. Eine frustrierende Situation für den Absolventen. Dabei hat Brandon bisher nur gute Erfahrungen mit der Ausländerbehörde gemacht und immer pünktlich einen Termin bekommen. Ein Glücksfall, denn in Duisburg kämpft die Ausländerbehörde seit Jahren mit Personalmangel.

Personalmangel und die Pandemie

„Aktuell sind nur rund 60 Prozent der Stellen besetzt", klagt Sebastian Hiedels, Pressesprecher der Stadt Duisburg. „Durch Corona hat sich die Situation verschärft, da die Termindichte aufgrund der Bestimmungen zum Corona-Infektionsschutz reduziert werden musste." Internationale Studierende werden von der Ausländerbehörde Mitte/Süd betreut. „Dort haben wir in den letzten 18 Monaten insgesamt sieben Neueinstellungen vorgenommen, jedoch müssen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst vollständig eingearbeitet werden", erklärt Hiedels die Situation.

Für den Standort Mitte/Süd der Ausländerbehörde seien 24 Stellen eingerichtet, von denen 20 besetzt seien, führt er aus. Und neben den rund 2.500 internationalen Studierenden in Duisburg betreuen die 20 Mitarbeitenden der Behörde in Mitte/Süd auch alle anderen ausländischen Staatsangehörigen, die im Zuständigkeitsbereich wohnen. Kein Wunder also, dass Brandon auf die Schnelle keinen Termin bekommt. Doch Siebels spricht von einer Wartezeit für einen Termin von sechs Monaten und einer Bearbeitungszeit von Mails von rund drei Monaten. Brandons Bericht, dass er seit Juni keinen Termin und keine Antwort auf Mails bekommt, erklärt das Statement des Pressesprechers nicht.

Ohne richtiges Visum ist alles kompliziert

Dass Brandon kein Jobsuche-Visum bekommt, hat weitreichende Folgen für ihn. Er hat einen kleinen Sohn und bekäme für ihn 219 Euro Kindergeld monatlich - hätte er auch formell den Status eines Ausländers auf Jobsuche. Solange er ihn nicht hat, gilt er als internationaler Studierender und hat keinen Anspruch auf Kindergeld, obwohl er seinen Master längst abgeschlossen hat und nicht mehr an der Uni eingeschrieben ist. „219 Euro, das ist fast das Gehalt meiner Mutter", sagt Brandon. Er traut sich nicht, seiner Familie von seiner Situation zu erzählen.

Die lebt in Indien. Auch hier bringt Brandon der Terminmangel seiner Ausländerbehörde in Schwierigkeiten. Er sitzt in Deutschland fest aus Angst, wegen seines falschen Aufenthaltstitel nicht wieder einreisen zu dürfen. Darum verpasste er das Begräbnis eines Onkels, der im November an Corona in Indien starb. „Ich wollte wirklich gerne nach Indien reisen, um mich von ihm zu verabschieden und bei meiner Familie zu sein. Nicht dort sein zu können, hat sich so falsch angefühlt", erinnert sich Brandon. Er überlegte, es trotzdem zu wagen, entschied sich jedoch dagegen. „Nachdem ich so viel in meine Bildung gesteckt habe, es wäre alles umsonst gewesen."

Aktuell hat Brandon einen Job und das Glück, dass sein Arbeitgeber den fragwürdigen Status nicht zum Anlass nimmt, ihm zu kündigen. Das ist bitter nötig, denn Brandon ist Alleinverdiener und muss seine Frau, die noch studiert und ebenfalls aus Indien kommt, und bald zwei Kinder mitfinanzieren - gerade wenn monatlich 200 Euro Kindergeld fehlen und wegen seines Aufenthaltsstatus wie ein Student, nicht wie ein Masterabsolvent bezahlt wird. Das hat ihn bisher auch davon abgehalten, mit anwaltlicher Hilfe die Ausländerbehörde dazu zu bewegen, ihm einen Termin und die nötigen Papiere für seinen aktuellen Status zu geben. Außerdem hatte er Sorge, es sich mit seinem zuständigen Beamten zu verscherzen, der schließlich wichtige Entscheidungen über Brandons Leben trifft.

„Kommt schon, sagt mir bitte irgendwas!"

Noch einen Monat ist er bereit, auf eine Antwort von der Duisburger Ausländerbehörde zu warten, dann schaltet er eine:n Anwält:in ein oder zieht mit seiner Familie in eine andere Stadt um, damit er in die Zuständigkeit einer neuen Ausländerbehörde fällt. Einen juristischen Beistand kann er sich eigentlich nicht leisten; den Umzug will er vor allem dem Sohn ersparen, der seine Duisburger Kita-Freunde verlieren würde. Aber Brandon hat keine Geduld mehr.

Dabei hatte er Verständnis dafür, dass die sich Ausländerbehörde erst auf die neuen Coronabedingungen einstellen musste. Aber zumindest eine Antwort auf seine zahlreichen Anfragen hätte er sich gewünscht. „Hätte man mir gesagt, dass ich wegen Corona 12 Monate auf einen Termin warten muss, wäre das ok gewesen. Ich kann warten", sagt Brandon. „Aber kommt schon, sagt mir bitte irgendwas!" Seit er wegen seines Autos kürzlich zum Duisburger Bürgeramt musste, ist er erst recht frustriert. Er konnte einen Termin in einem Onlinetool auswählen und hatte wenige Wochen darauf das benötigte Dokument. Ihn frustriert, dass die Ausländerbehörde kein Online-Termintool hat. Und dass andere Behörden trotz der Pandemie zeitnah Termine vergeben, Ausländer:innen bei ihrer Behörde allerdings das Nachsehen haben. „Im Moment fühle ich mich wie ein Niemand."

* Name von der Redaktion geändert
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