Sophie Schädel

Freie Journalistin, Dortmund

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Artikel

Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen

Krankenhäuser müssen wirtschaftlich handeln. Wie beeinflusst diese Ökonomisierung die Versorgung von Patient*innen? Und welche Folgen hat das für Ärzt*innen und das Pflegepersonal? Dr. Susanne Drescher vom Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen (UDE), kurz IAQ, hat sich damit in einem aktuellen Report auseinandergesetzt.

Ärzt*innen und Pflegepersonal richten ihre Arbeit an Normen und Werten aus, doch der Zwang zur Wirtschaftlichkeit in Kliniken beeinflusst ihr Handeln, fasst Drescher in ihrem Report zusammen. Sie sieht zwei Hauptkristallisationspunkte der Ökonomisierung von Kliniken: der Personalmangel, besonders in der Pflege, und die Folgen der Abrechnung über die sogenannte Fallpauschale. Diese Pauschale berechnet pro Behandlungsfall eine bestimmte Summe; egal wie gut beispielsweise eine Verbrennung heilt oder wie lange eine Geburt dauert, die Klinik bekommt jeweils dasselbe Geld und muss damit haushalten. So sei Geld mittlerweile für Kliniken Zweck statt Mittel, kritisiert das IAQ.

Die Fallpauschale gibt auch mit einer sogenannten oberen Grenzverweildauer an, wie lange jemand mit einer bestimmten Diagnose im Krankenhaus bleiben soll. Wird sie überschritten, zahlt die Klinik jeden weiteren Tag aus eigener Tasche. Also werden Patient*innen möglichst früh entlassen. Hier führt die Ökonomisierung dazu, dass bei Entscheidungen wirtschaftliche Faktoren berücksichtigt werden müssen, auch wenn sie dem, was medizinisch am besten wäre, entgegenstehen, moniert das IAQ.

Selbstausbeutung um Standards zu halten

Trotz großem wirtschaftlichem Druck fand Drescher heraus, dass das Personal die Patient*innen weiterhin im Fokus hat und nicht zugunsten der Wirtschaftlichkeit von Maximen ablässt. So entstehen aber Konflikte bei den Mitarbeitenden. „Wenn aufgrund ökonomischer Interessen nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht, die berufsspezifischen Ansprüche in der Versorgung von Patient*innen umzusetzen", wie das IAQ kritisiert, wird der Job zur Gratwanderung.

Der Personalmangel in der Pflege führt dazu, dass eine Pflegekraft für viele Patient*innen auf einmal zuständig ist. Für wichtige Gespräche bleibt oft kaum Zeit. Eine Pflegerin berichtet von ihrer Arbeit auf der Krebsstation. Sie sei mit nur einer weiteren Kollegin in einer Nachtschicht für 28 Kranke verantwortlich gewesen. Eine war wegen ihrer Chemotherapie sehr schwach, sie habe geweint und wollte reden, erzählt die Pflegerin. „Das war für mich das Schlimmste. Ich habe mich zwar zu ihr hingesetzt für fünf Minuten, aber dann musste ich zu ihr sagen: ‚Leider, ich hab jetzt keine Zeit, ich muss gehen.'" Solange Kliniken oder die Politik keine andere Lösung finden, löst das Personal die Probleme durch Selbstausbeutung. „Beispielsweise beginnt eine Ärztin deutlich früher mit ihrem Dienst, um Dokumentationsaufgaben zu bearbeiten. Dadurch gewinnt sie mehr Zeit für die Versorgung während des Dienstes", beobachtet Drescher und berichtet dann von einer Pflegerin, die ihre gesamte Freizeit darauf ausrichtet, ihren letzten Arbeitstag zu verarbeiten, um am nächsten Tag dem Druck wieder gewachsen zu sein.

Die Bundesregierung reagiert auf diese Probleme. Das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals brachte zum Beispiel 2019 erste Verbesserungen durch eine Personaluntergrenze. Das könnte neben einer besseren Versorgung der Patient*innen auch ökonomisch sinnvoll sein, erklärt das IAQ im Report: Die Belastung des Personals sinkt, und damit auch die Gefahr finanzieller Einbußen durch Krankheitstage. Das Gesetz schreibt aber nur eine Personaluntergrenze vor und geht nicht darauf ein, wie viel Personal für eine bedarfsgerechte Pflege tatsächlich nötig wäre, kritisiert der Report. Der eigentliche Konflikt zwischen Bedarf und Wirtschaftlichkeit bleibt ungelöst.

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