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Downton Abbey: "Ich habe Roberts IQ angezweifelt" | Interview mit Hugh Bonneville

Der britische Landadel ist zurück, und zwar auf der großen Leinwand! Seit dem 19. September sorgt die Ankunft der Royal Family auf dem Familiensitz der Crawleys, Downton Abbey, für chaotische Zustände in den oberen wie unteren Etagen, kleinere bis größere Machtkämpfe inklusive. Neben Imelda Staunton (Harry Potter), die die Cousine der Crawleys, Maud Bagshaw, spielt, Tuppence Middleton (Sense 8), die Tom Bransons Love Interest Lucy verkörpert, Geraldine James (Sherlock Holmes), David Haig (Killing Eve) und Stephen Campbell-Moore (Johnny English) ist auch der allseits bekannte wie beliebte Ursprungscast wieder mit von der Partie.

"Die Herausforderung für die Produzenten war, uns alle wieder zusammenzubringen, weil wir alle wortwörtlich über den ganzen Globus verstreut waren und an unterschiedlichen Projekten gearbeitet haben. Wenn nicht alle mit an Bord gewesen wären, hätte das nie funktioniert. Ich glaube, wir waren unausgesprochen einer Meinung: Wären nur drei mit dem Zurückkommen happy gewesen, wäre es nicht das Gleiche gewesen. Es brauchte uns alle, die wir uns an den Händen halten und gemeinsam in dieses Unterfangen reinspringen - und genau das ist ja auch passiert", verrät uns Darsteller Hugh Bonneville, als wir ihn zum Interview treffen.

Der 55-Jährige schlüpfte für den "Downton Abbey"-Kinofilm nur allzu gern erneut in maßgeschneiderte Anzüge ("Ich trage normalerweise nicht mal Anzüge!"), um den Earl von Grantham, Robert Crawley, zu mimen: "Es war wunderbar, wirklich wunderbar. Es war, als wäre man einen schönen, alten Pulli übergezogen - du weißt, wo die Löcher sind, du weißt, wo der Pulli geflickt wurde, und es ist einfach bequem. Es war toll! Wie eins dieser Jahrgangstreffen, die sogar gut laufen. Diese Vertrautheit von Freunden. Einer der Gründe, warum wir wieder zusammengekommen sind, ist, dass wir Freunde sind."

Die Arbeit an "Downton Abbey" hatte zum Schluss etwas "Tretmühlenartiges"

Obwohl die Ausgangslage gut war, sei er skeptisch gewesen, was den Film anging. Er habe nicht gewusst, was ihn erwarte, denn Serienschöpfer Julian Fellowes habe das Vorhaben zwar cinematisch aufziehen, die Fans jedoch nicht enttäuschen wollen.

Zumindest beim Cast ist ihm das gelungen: Der Streifen sei eine "bezaubernde Fortsetzung", erklärt Hugh Bonneville. Am Ende sei der Kinofilm wie eine der längeren Folgen geworden, nur, dass sie auf einem größeren Bildschirm zu sehen sei. Dementsprechend wenig habe sich im Vergleich zu den früheren "Downton Abbey"-Drehs geändert, besser gesagt gar nichts: "Alles war komplett gleich, sogar die Kekse!"

Na gut, einen Unterschied zwischen Serien- und Kinoproduktion gab es dann doch, räumt der Brite ein - die Dauer der Produktion. Statt wie zuvor sechs Monate am Stück zwischen der einen und der anderen "Downton Abbey"-Location hin- und herzutingeln und anschließend auf Promotour zu gehen, bevor das Ganze von Neuem begann ("Es war ein nie zu enden scheinender Kreislauf"), habe die Crew nun lediglich zehn Wochen Zeit vor Ort gehabt.

Das habe sich auf die Stimmung am Set ausgewirkt: Szenen, die früher für die Darsteller wie das Team hinter der Kamera extrem anstrengend und Nerven aufreibend gewesen seien, wie etwa das Familiendinner im Esszimmer, wurden nun ganz anders angegangen. "Jeder wusste, dass es das letzte Mal sein würde, dass wir alle wieder für kurze Zeit zusammenkommen. Deswegen war jeder bester Stimmung. Das bedeutet nicht, dass wir während der Serie alle schlecht gelaunt waren, aber es hatte schon etwas Tretmühlenartiges."

Kino

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Drei Jahre lagen zwischen dem Ende der Dreharbeiten der sechsten Staffel und der Reunion am Kino-Set. In der Fiktion hingegen sind nur etwa anderthalb Jahre ins Land gegangen. Wir haben das Jahr 1927 und Robert Crawley und seine Frau, deren Ehe in der Vergangenheit schon von finanziellem Ruin, einer Affäre und Krankheiten überschattet wurde, blicken zuversichtlich in die Zukunft. Die Aufregung im Herrenhaus anlässlich des königlichen Besuchs scheint sie nicht zu tangieren - eher im Gegenteil. Das Paar wirkt untypisch gelassen. "Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Robert absolut nichts im Film zu tun hat, als ab und zu mal einen Stuhl zu verrücken! Ich war sehr erfreut, sie haben mir viel Geld fürs Nichtstun bezahlt, das war grandios", feixt Hugh Bonneville.

Weiter erklärt er: "Die Geschichte [des Films] wurde von den jüngeren Figuren getragen und es war schön, sie fliegen zu sehen, und dass Robert und Cora da so ruhig mitgegangen sind. Sie sind zufrieden mit ihrem Leben. Es ist schön, zur Abwechslung mal keine internen Kämpfe ausfechten zu müssen."

Von denen gab es damals in der Serie ganz schön viele, und nicht wenige gingen auf das Konto des Earls von Grantham. Ein Umstand, der das ein oder andere Mal auf sein Unverständnis traf, erinnert sich der Schauspieler schmunzelnd. "Manchmal kann Robert ganz schön dickköpfig und dumm sein. Ich habe früher immer gegenüber Julian Fellowes Roberts IQ angezweifelt. Habe gesagt, dass er ja eigentlich ziemlich smart sei, aber gerade einfach nicht sehen kann, was genau vor seiner Nase ist, und ob Julian die ganze Situation nicht irgendwie retten kann. Der hat mich dann immer beruhigt und meinte „Vertrau mir!" Am Ende der Staffel wurde Roberts Idiotie meistens umgekehrt und es war wieder alles gut."

Hugh Bonneville: Toleranter und manierlicher durch "Downton Abbey"

Von seiner Rolle habe er sich nichtsdestotrotz aber auch einiges abgucken können. Zum Beispiel in Sachen Höflichkeit oder Manieren. "Wieder zurück zu sein bringt einen tatsächlich dazu, wieder mehr auf sich zu achten", erklärt uns der Mime. So sitze er inzwischen aufrechter am Esstisch und stecke die Hände nicht mehr so oft in seine Hosentaschen. "Aber ich bin auch toleranter geworden als ich es früher war."

Die Geschichte um Thomas Barrows Homosexualität und Robert Crawleys lockere Reaktion darauf habe ihn besonders beeindruckt: "Man hätte eher vermutet, [Robert] wäre da konservativer und intoleranter, aber in Wirklichkeit ist da ein gewisser Anstand und Akzeptanz, von dem ich mir vorstelle, dass etwas an mir hängen geblieben ist", so Hugh Bonneville.

Nicht nur er selbst könne etwas von "Downton Abbey" und der Zeit, in der Serie wie Film spielen, mitnehmen, betont er. Natürlich sei die Gesellschaft damals ungerechter und intoleranter gewesen, doch was den öffentlichen Diskurs angehe, könne man sich gerade in der Politik einiges von der Zivilisiertheit der Zwanziger abgucken. "Jeder schreit nur seine eigene Meinung heraus und will die der anderen gar nicht hören", so der Darsteller, der sich selbst mit Verweis auf die aktuelle politische Lage in Großbritannien als Europäer und die Brexit-Diskussionen als "wahrscheinlich größte existenzielle Krise unseres Landes" beschreibt.

Und Robert Crawley? Was würde der zur alledem sagen? "Robert würde Jacob Rees-Mogg, einer aus Boris Johnsons Team, der auf den Bänken im Parlament lümmelt als wäre es sein heimisches Sofa, dafür auspeitschen lassen", erklärt der Mime entschieden, bevor er nach kurzem Innehalten grinsend hinzufügt: "Also weil er die Einrichtung malträtiert."

Dass das Familienoberhaupt der Granthams seine ganz eigene Sicht auf die Dinge hat, Anstand und Moral beweist, manchmal in seinen Ansichten aber auch eines Besseren belehrt werden muss, macht Robert Crawley vielschichtig und menschlich. Kein Wunder, dass er zu einem der Lieblinge der "Downton Abbey"-Fangemeinde zählt.

Und die wünscht sich zu einem erstaunlich großen Teil offenbar einen Vater wie den Earl, was Hugh Bonneville selbst überrascht: "Tatsächlich [hätten] ziemlich viele [Robert] gerne zum Vater! Wie sich herausgestellt hat, mach ich das wohl nicht so schlecht. Keine Ahnung, ob meine eigene Familie auch so denkt. Aber zumindest in fiktiver Hinsicht scheine ich ganz okay zu sein!"

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Zweiter "Downton Abbey"-Film: "Ersatz für Maggie Smith würde Julian Fellowes finden"

Wer sich selbst ein Bild von Hugh Bonnevilles Vaterqualitäten als Robert Crawley machen will, sollte sich fix ein Ticket für die nächste "Downton Abbey"-Vorstellung besorgen. Seit dem 19. September läuft der Film im Kino. Den Trailer findet ihr hier:

von Sophie Piper
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